Rudolf von Erlach von Karl Ludwig von Woltmann

Die Sterne glänzten durch die Fenster
In Erlachs väterlichem Schloß.
Und flüsternd wankten die Gespenster
Am Graben, der die Burg umfloß.
Allein mit seinen treuen Hunden,
Beginnt der Greis das Nachtgebet,
Indeß, vom Erndtekranz umwunden,
Sein Volk ein fernes Fest begeht.
 
Das Schwert, das er als Held und Sieger
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Für Recht der Eidgenossen trug,
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Womit er Habsburgs stolze Krieger
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Und Nidaus Ritterschaaren schlug,
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Beglänzt die Wand, des Alters Freude,
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Gekannt von Mufti und Packan;
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Die grauen Hunde führten beide
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Mit Erlach einst zu Schlachten an.
 
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Da lärmt es auf des Schlosses Stufen!
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Er klappte die Postille zu,
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Und sah hinaus, und hört’ es rufen:
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»Holla, ist alles schon in Ruh:«
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Der Schwiegersohn von Rudenz stürmte,
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Wie Geister blaß im Fackelschein,
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Mit wildem Haar, das hoch sich thürmte,
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Zum ofnen Pfortenthor herein.
 
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»Woher noch in der Geisterstunde?
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Warum so wild? Woher dein Weg?«
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Mit Geistern steh ich wohl im Bunde,
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Sie kennen wohl des Abgrunds Steg.
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O! wär’ ich nimmermehr geboren!
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Vom Spiel mit Teufeln komm’ ich her;
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Mein ganzes Gut hab’ ich verloren,
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Nun reit’ ich nakt die Kreuz und Queer.
 
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»O Sohn, wie oft hab’ ich mit Zähren
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Vor Spiel und Zechern dich gewarnt!
 
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Du wolltest nie die Warnung hören,
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Und bliebst von Bösen stets umgarnt.
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Du sahst dein Weib die Hände ringen,
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Und hörtest, wie in öder Nacht
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Sie weint’ um dich, wenn sie durch Singen
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Die Kindlein kaum in Schlaf gebracht.«
 
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Was hilft, o Alter, nun dein Strafen?
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Gieb Geld, gieb Geld! sonst muß ich fort,
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Und bei der Brut der Schlangen schlafen
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In Höhlen am geheimen Ort.
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»Ich kann, o Sohn, kein Geld mehr geben;
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Du reichst mir noch den Bettelstaab,
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Dein Weib wird gleich dem Bettler leben,
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Dem schimpfend man den Heller gab.«
 
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Gieb Geld! so ruft der Sohn im Grimme,
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Und stampft die Erd’ im wilden Schmerz.
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Der Vater seufzt mit schwacher Stimme,
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»O weh, mir bricht mein altes Herz!
 
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Ach, Erlach, du wirst schrecklich enden!
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Wie wird sich bald von deinen Höhn
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Der Väter Blick in Nebel wenden,
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Wenn jammernd sie vorübergehn.«
 
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Und wilder stampft der Sohn die Erde,
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Ergreift des Alten dürre Hand,
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Und zerrt mit wütender Geberde
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Ihn zu des Söllers weißer Wand.
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Er nimmt das Schwert, und schlägt den Greisen.
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Daß hoch sein Blut die Wand besprützt;
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Er steht und bebt! denn Geister kreisen
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Im Saale rings, es rauscht, es blitzt.
 
65 
Er hört die Hunde schrecklich schnaufen,
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Die ganze Geisterwelt wird wach,
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Er stürzt hinaus, die Hunde laufen
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Mit heulendem Gebell ihm nach.
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Er sucht umsonst in Waldgesträuchen
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Die Stellen heimlich wie ein Grab;
 
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Sie folgen ihm, und Geister streichen
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Zur Rach’ aus jedem Baum herab.
 
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Dann steht er still bei Felsenklippen;
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Mit Mufti heult Packan im Thal;
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Er schwört und flucht mit blauen Lippen,
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Und stürzt sich in der Rache Stahl.
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Die Hunde stehn im Morgenschimmer
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Bis sie ein früher Waller sieht,
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Und jagen noch um Erlachs Trümmer
80 
Den Mörder, welcher bebend flieht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Rudolf von Erlach“

Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
80
Anzahl Wörter
484
Entstehungsjahr
1796
Epoche
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Rudolf von Erlach“ wurde von Karl Ludwig von Woltmann verfasst, der von 1770 bis 1817 lebte. Damit gehört das Gedicht zur Epochen des Sturm und Drangs und der Romantik.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht eine düstere und eher gruselige Stimmung aufweist, da es von Gespenstern, nächtlichen Begegnungen und Mord erzählt. Die Sprache ist durch bildhafte Beschreibungen und eine intensive Atmosphäre geprägt.

Inhaltlich berichtet das Gedicht von Rudolf von Erlach, der alleine in seinem Schloss ist und sein Nachtgebet spricht, während sein Volk ein Fest feiert. Sein Schwiegersohn kommt plötzlich ins Schloss und erzählt, dass er sein gesamtes Gut durch Glücksspiel verloren hat und nun auf der Flucht vor seinen Gläubigern ist. Der Schwiegersohn fordert Geld von Erlach, der jedoch nichts mehr geben kann. Im Zorn darüber tötet der Schwiegersohn Erlach und flieht anschließend, verfolgt von Erlachs Hunden.

Das lyrische Ich in diesem Gedicht nimmt die Rolle des Erzählers ein und beobachtet und schildert das Geschehen aus einer objektiven Perspektive. Es drückt die traurigen und tragischen Ereignisse aus und lässt dadurch den Leser in die dunkle und dramatische Geschichte eintauchen.

Formal ist das Gedicht in verschiedene Strophen unterteilt, die jeweils unterschiedlich viele Verse aufweisen. Es gibt keinen Reim, was das Gedicht noch eindrücklicher und ernster wirken lässt. Sprachlich fällt auf, dass Woltmann mit vielen bildhaften Beschreibungen arbeitet und eine dichte, atmosphärische Stimmung erzeugt. Er verwendet außerdem zahlreiche Metaphern und Vergleiche, die die dunkle, gruselige Stimmung und das tragische Ereignis verstärken.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Karl Ludwig von Woltmanns Gedicht „Rudolf von Erlach“ eine gruselige, dramatische Geschichte erzählt, die durch ihre bildhafte und intensive Sprache sowie den Verzicht auf Reime eine starke Wirkung auf den Leser hat.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Rudolf von Erlach“ des Autors Karl Ludwig von Woltmann. Im Jahr 1770 wurde Woltmann in Oldenburg geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1796. Der Erscheinungsort ist Neustrelitz. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Klassik zuordnen. Die Richtigkeit der Epoche sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 80 Versen mit insgesamt 13 Strophen und umfasst dabei 484 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Karl Ludwig von Woltmann sind „Die Verheissung“ und „Sylfenlied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Rudolf von Erlach“ keine weiteren Gedichte vor.

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