Rotundenzensur in Königsberg von Kurt Tucholsky

Die hiesige Garnisionverwaltung –
(wir sind schon weit in der Kultur)
die brauchte zwecks Toilettegestaltung
Papier – und zwar Makulatur.
 
Doch darf kein Blatt von jener Sorte,
so roh, so rot und so verderbt
darunter sein.
An solchem Orte
kann man nie wissen, ob das färbt.
 
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Ertappt man etwa die Rekruten,
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und lesen sie solch ein Traktat,
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und grad, wenn sie - Reveille tuten:
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das wäre glatter Hochverrat!
 
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Wir dürfen dieses nicht beklagen! –
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… „Kreuzzeitung“ … „Post“ – nun - weg ist weg!
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Und sie erreichen sozusagen
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den eigentlichen Bestimmungszweck.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.4 KB)

Details zum Gedicht „Rotundenzensur in Königsberg“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
17
Anzahl Wörter
85
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Rotundenzensur in Königsberg“ stammt von Kurt Tucholsky, einem der bedeutsamsten Journalisten und Schriftsteller der Weimarer Republik, und lässt sich aufgrund seiner Entstehungszeit dem frühen 20. Jahrhundert zuordnen.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine humorvolle und bissige Satire. Der Inhalt des Gedichts beschäftigt sich mit der Verwendung von sogenannter Makulatur, also bedrucktem Altpapier, für sanitäre Zwecke in einer Garnisonsverwaltung. Tucholsky kommentiert hier mit spöttischem Unterton, dass die Verwaltung nur nicht-linksgerichtete Zeitungen wie die „Kreuzzeitung“ oder die „Post“ als Toilettenpapier verwenden dürfen. Die rohe und verdorbene Sorte von Papier, also wahrscheinlich Zeitungen mit sozialistischen oder kommunistischen Inhalten, seien verboten, da man „nie wissen kann, ob das färbt“. Hier spielt Tucholsky auf die Angst der Obrigkeit vor einer Beeinflussung der Soldaten durch linke Ideen an.

Formal ist das Gedicht in vier Strophen unterteilt, die jeweils aus vier bis fünf Versen bestehen. Die Versform ist frei, es gibt keine einheitliche Metrik oder einen Endreim. Tucholsky verwendet eine einfache, leicht verständliche Sprache und spielt mit mehrdeutigen Wortbedeutungen, wie dem „Färben“ im Kontext von Papier und Ideen.

In der sprachlichen Analyse fällt die ironische Diktion auf, die das Hauptanliegen Tucholskys unterstreicht – die Kritik an der politischen Zensur und der Manipulation der Arbeiterklasse durch die herrschende Oberschicht. Durch die humoristische Darstellung der Zensur und den spöttischen Ton, stellt Tucholsky das absolute und unantastbare Autoritätssystem und seine repressiven Maßnahmen lächerlich dar.

Kurt Tucholskys „Rotundenzensur in Königsberg“ ist also eine scharfsinnige und humorvolle Kritik an politischer Zensur und der Furcht des Establishments vor „gefährlichen“ Ideen, die er mithilfe von Sprachwitz und einer einfachen, aber wirkungsvollen symbolischen Handlung hervorragend umsetzt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Rotundenzensur in Königsberg“ ist Kurt Tucholsky. Im Jahr 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1919. In Charlottenburg ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Tucholsky handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Wichtigen geschichtlichen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik hatten der Erste Weltkrieg von 1914-1918 und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik. Das bedeutendste Merkmal der Literatur in der Weimarer Republik ist die Neue Sachlichkeit, die so heißt, da sie schlicht, klar, sachlich und hoch politisch ist. Die Literatur dieser Zeit war nüchtern und realistisch. Ebenso stellt sie die moderne Gesellschaft kühl distanziert, beobachtend, dokumentarisch und exakt dar. Die Autoren der Literaturepoche wollten so viele Menschen wie möglich mit ihren Texten erreichen, deshalb wurde eine einfache und nüchterne Alltagssprache verwendet. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das im Jahr 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Autoren ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung im Jahr 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. In Folge dessen flohen viele Schriftsteller aus Deutschland ins Ausland. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen den Nationalsozialismus sind typisch für diese Literaturepoche. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Epoche geboren wurden. Das epische Theater von Bertolt Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Radioreden oder Flugblätter der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten erwähnenswert. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das vorliegende Gedicht umfasst 85 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 17 Versen. Der Dichter Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „’s ist Krieg!“, „Abschied von der Junggesellenzeit“ und „Achtundvierzig“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Rotundenzensur in Königsberg“ weitere 136 Gedichte vor.

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