Rhampsenit von Heinrich Heine
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Als der König Rhampsenit |
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Eintrat in die goldne Halle |
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Seiner Tochter, lachte diese, |
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Lachten ihre Zofen alle. |
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Auch die Schwarzen, die Eunuchen, |
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Stimmten lachend ein, es lachten |
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Selbst die Mumien, selbst die Sphynxe, |
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Daß sie schier zu bersten dachten. |
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Die Prinzessin sprach: Ich glaubte |
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Schon den Schatzdieb zu erfassen, |
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Der hat aber einen todten |
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Arm in meiner Hand gelassen. |
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Jetzt begreif ich, wie der Schatzdieb |
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Dringt in deine Schatzhauskammern, |
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Und die Schätze dir entwendet, |
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Trotz den Schlössern, Riegeln, Klammern. |
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Einen Zauberschlüssel hat er, |
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Der erschließet allerorten |
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Jede Thüre, widerstehen |
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Können nicht die stärksten Pforten. |
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Ich bin keine starke Pforte |
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Und ich hab’ nicht widerstanden, |
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Schätzehütend diese Nacht |
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Kam ein Schätzlein mir abhanden. |
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So sprach lachend die Prinzessin |
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Und sie tänzelt im Gemache, |
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Und die Zofen und Eunuchen |
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Hoben wieder ihre Lache. |
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An demselben Tag ganz Memphis |
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Lachte, selbst die Crocodile |
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Reckten lachend ihre Häupter |
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Aus dem schlammig gelben Nile, |
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Als sie Trommelschlag vernahmen |
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Und sie hörten an dem Ufer |
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Folgendes Rescript verlesen |
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Von dem Kanzelei-Ausrufer: |
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Rhampsenit von Gottes Gnaden |
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König zu und in Aegypten, |
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Wir entbieten Gruß und Freundschaft |
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Unsern Vielgetreu’n und Liebden. |
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In der Nacht vom dritten zu dem |
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Vierten Junius des Jahres |
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Dreizehnhundert vier und zwanzig |
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Vor Christi Geburt, da war es, |
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Daß ein Dieb aus unserm Schatzhaus |
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Eine Menge von Juwelen |
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Uns entwendet; es gelang ihm |
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Uns auch später zu bestehlen. |
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Zur Ermittelung des Thäters |
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Ließen schlafen wir die Tochter |
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Bei den Schätzen – doch auch jene |
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Zu bestehlen schlau vermocht’ er. |
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Um zu steuern solchem Diebstahl |
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Und zu gleicher Zeit dem Diebe |
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Unsre Sympathie zu zeigen, |
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Unsre Ehrfurcht, unsre Liebe, |
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Wollen wir ihm zur Gemahlin |
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Unsre einz’ge Tochter geben, |
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Und ihn auch als Thronnachfolger |
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In den Fürstenstand erheben. |
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Sintemal uns die Adresse |
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Unsres Eidams noch zur Stunde |
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Unbekannt, soll dies Rescript ihm |
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Bringen Unsrer Gnade Kunde. |
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So geschehn den dritten Jenner |
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Dreizehnhundert zwanzig sechs |
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Vor Christi Geburt. – Signiret |
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Von Uns: Rhampsenitus Rex. |
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Rhampsenit hat Wort gehalten, |
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Nahm den Dieb zum Schwiegersohne, |
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Und nach seinem Tode erbte |
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Auch der Dieb Aegyptens Krone. |
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Er regierte wie die Andern, |
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Schützte Handel und Talente; |
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Wenig, heißt es, ward gestohlen |
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Unter seinem Regimente. |
Details zum Gedicht „Rhampsenit“
Heinrich Heine
19
76
353
vor 1851
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Rhampsenit“ wurde von Heinrich Heine, einem der bekanntesten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts, geschrieben. Heine war ein wichtiger Akteur der Romantik, jedoch schlug sein Werk auch eine Brücke zur Literatur des Realismus. Das Gedicht entstammt der Sammlung „Neue Gedichte“ die im Jahre 1844 publiziert wurde.
Schon bei einem ersten Lesen wird deutlich, dass es sich um eine Art komische Erzählung oder Anekdote aus dem alten Ägypten handelt. Der König Rhampsenit, der titelgebende Charakter, ist durch einen mysteriösen Diebstahl in seinem Schatzhaus beunruhigt. Die große Heiterkeit und das allgegenwärtige Lachen in den verschiedenen Versen suggerieren eine humorvolle Atmosphäre. Trotz der ernsthaften Situation gibt es eine gewisse Gelassenheit und Unbeschwertheit.
Der Inhalt des Gedichts ist an die Sage um König Rhampsinit aus Herodots Historien angelehnt. Hierbei handelt es sich um einen gerissenen Dieb, der es schafft, in die Schatzkammer des Königs einzudringen und dabei noch die Prinzessin im Schlaf zu bestehlen. Als die Prinzessin realisiert, wie der Dieb in das Schatzhaus eingedrungen ist, lacht sie und auch alle anderen Charaktere nehmen diese Enthüllung mit Humor. Anstatt den Dieb zu bestrafen, veröffentlicht der König ein kaiserliches Dekret, in dem er den Dieb auffordert, sich zu offenbaren, und bietet ihm im Gegenzug seine Tochter zur Ehe und den Thron als legitimer Nachfolger an. Rhamspsenit hält Wort, und der Dieb, der nun Schwiegersohn und schließlich König ist, wird beschrieben als ein guter Herrscher, der den Diebstahl im Land minimiert.
Form und Sprachgestaltung des Gedichts zeichnen sich insbesondere durch einen sehr regelmäßigen, rhythmischen Aufbau aus, der schon fast an Balladen erinnert. Mit seinen jeweils vierzeiligen Strophen und dem durchweg genutzten Kreuzreim folgt es strengen metrischen Regeln. Die Sprache ist dabei allgemein verständlich und direkt, was gut zur humorvollen Erzählweise des Gedichts passt. Gleichzeitig zeichnen detaillierte Bilder ein lebendiges Bild vom antiken Ägypten.
In seinem Gedicht stellt Heine den praktischen Verstand und die Kreativität, die der Dieb an den Tag legt, über die offizielle Macht des Königs. Es könnte interpretiert werden, dass er mit dieser humorvollen Geschichte auch die starren Strukturen und Normen seiner eigenen Zeit aufs Korn nimmt. Weiterhin kann man eine generelle Ironie bezüglich der menschlichen Natur und des Machtspiels hineininterpretieren. So wird auch die Vergänglichkeit allen menschlichen (und königlichen) Strebens angesprochen: Selbst der König ist letztendlich der List des Diebes unterlegen.
Weitere Informationen
Heinrich Heine ist der Autor des Gedichtes „Rhampsenit“. 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1851 zurück. Der Erscheinungsort ist Hamburg. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz zu. Bei dem Schriftsteller Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 353 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 76 Versen mit insgesamt 19 Strophen. Die Gedichte „Ach, die Augen sind es wieder“, „Ach, ich sehne mich nach Thränen“ und „Ach, wenn ich nur der Schemel wär’“ sind weitere Werke des Autors Heinrich Heine. Zum Autor des Gedichtes „Rhampsenit“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 535 Gedichte vor.
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