Resignation von Friedrich Schiller

Eine Phantasie

Auch ich war in Arkadien geboren,
auch mir hat die Natur
an meiner Wiege Freude zugeschworen,
auch ich war in Arkadien geboren,
doch Tränen gab der kurze Lenz mir nur.
 
Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder,
Mir hat er abgeblüht.
Der stille Gott – o weinet meine Brüder –
der stille Gott taucht meine Fakel nieder,
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und die Erscheinung flieht.
 
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Da steh ich schon auf deiner Schauerbrüke,
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Ehrwürdge Geistermutter – Ewigkeit.
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Empfange meinen Vollmachtbrief zum Glüke,
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ich bring ihn unerbrochen dir zurücke,
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mein Lauf ist aus. Ich weiß von keiner Seligkeit.
 
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Vor deinem Tron erheb’ ich meine Klage,
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verhüllte Richterin.
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Auf jenem Stern gieng eine frohe Sage,
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Du tronest hier mit des Gerichtes Waage
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und nennest dich Vergelterin.
 
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Hier – spricht man – warten Schreken auf den Bösen,
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und Freuden auf den Redlichen.
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Des Herzens Krümmen werdest du entblößen,
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Der Vorsicht Räzel werdest du mir lösen,
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und Rechnung halten mit dem Leidenden.
 
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Hier öfne sich die Heimat dem Verbannten,
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hier endige des Dulders Dornenbahn.
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Ein Götterkind, das sie mir Wahrheit nannten
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Die meisten flohen, wenige nur kannten,
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hielt meines Lebens raschen Zügel an.
 
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„Ich zahle dir in einem andern Leben,
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gib deine Jugend mir,
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Nichts kann ich dir als diese Weisung geben.“
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Ich nahm die Weisung auf das andre Leben,
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und meiner Jugend Freuden gab ich ihr.
 
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„Gib mir das Weib, so theuer deinem Herzen,
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gib deine Laura mir.
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Jenseits der Gräber wuchern deine Schmerzen.“ –
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Ich riß sie blutend aus dem wunden Herzen,
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und weinte laut, und gab sie ihr.
 
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„Du siehst die Zeit nach jenen Ufern fliegen,
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die blühende Natur
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bleibt hinter ihr – ein welker Leichnam – liegen.
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Wenn Erd und Himmel trümmernd aus einander fliegen,
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daran erkenne den erfüllten Schwur.“
 
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„„Die Schuldverschreibung lautet an die Todten,““
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hohnlächelte die Welt,
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„„Die Lügnerin, gedungen von Despoten
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hat für die Wahrheit Schatten dir geboten,
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du bist nicht mehr, wenn dieser Schein verfällt.““
 
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Frech wizelte das Schlangenheer der Spötter:
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„„Vor einem Wahn, den nur Verjährung weiht,
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erzitterst du? Was sollen deine Götter,
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des kranken Weltplans schlau erdachte Retter,
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die Menschenwiz des Menschen Nothdurft leiht?““
 
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„„Ein Gaukelspiel, ohnmächtigen Gewürmen
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von mächtigen gegönnt,
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Schrekfeuer angestekt auf hohen Thürmen,
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Die Phantasie des Träumers zu bestürmen,
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wo des Gesezes Fakel dunkel brennt.““
 
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„„Was heißt die Zukunft, die uns Gräber deken?
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Die Ewigkeit, mit der du eitel prangst?
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Ehrwürdig nur, weil schlaue Hüllen sie versteken,
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der Riesenschatten unsrer eignen Schreken
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im holen Spiegel der Gewissensangst;““
 
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„„Ein Lügenbild lebendiger Gestalten,
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die Mumie der Zeit
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vom Balsamgeist der Hofnung in den kalten
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Behausungen des Grabes hingehalten,
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das nennt dein Fieberwahn – Unsterblichkeit?““
 
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„„Für Hoffnungen – Verwesung straft sie Lügen –
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gabst du gewiße Güter hin?
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Sechstausend Jahre hat der Tod geschwiegen,
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Kam je ein Leichnam aus der Gruft gestiegen
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der Meldung that von der Vergelterin?““
 
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Ich sah die Zeit nach deinen Ufern fliegen,
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die blühende Natur
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blieb hinter ihr, ein welker Leichnam, liegen,
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Kein Todter kam aus seiner Gruft gestiegen,
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und fest vertraut’ ich auf den Götterschwur.
 
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All meine Freuden hab ich dir geschlachtet,
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jezt werf ich mich vor deinen Richtertron.
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Der Menge Spott hab ich beherzt verachtet,
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nur deine Güter hab ich groß geachtet,
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Vergelterin, ich fodre meinen Lohn.
 
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„Mit gleicher Liebe lieb ich meine Kinder,
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rief unsichtbar ein Genius.
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Zwei Blumen, rief er – hört es Menschenkinder –
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Zwei Blumen blühen für den weisen Finder,
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sie heißen Hofnung und Genuß.
 
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„Wer dieser Blumen Eine brach, begehre
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die andre Schwester nicht.
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Genieße wer nicht glauben kann. Die Lehre
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ist ewig wie die Welt. Wer glauben kann, entbehre.
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Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.
 
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„Du hast gehoft, dein Lohn ist abgetragen,
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dein Glaube war dein zugewognes Glük.
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Du konntest deine Weisen fragen,
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was man von der Minute ausgeschlagen
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gibt keine Ewigkeit zurük.“

Details zum Gedicht „Resignation“

Anzahl Strophen
20
Anzahl Verse
100
Anzahl Wörter
603
Entstehungsjahr
1786
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Resignation“ wurde von Friedrich Schiller (10. November 1759 – 9. Mai 1805) geschrieben. Schiller ist ein wichtiger Vertreter der Weimarer Klassik, einer literarischen und kulturellen Bewegung in Deutschland gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts.

Der erste Eindruck von diesem Gedicht ist ein Gefühl von Melancholie und Resignation, die in dem Titel zum Ausdruck kommen. Das lyrische Ich scheint sich mit Fragen des Lebens, des Todes und der Existenz zu befassen und empfindet eine gewisse Enttäuschung und Resignation in Bezug auf das Leben und seine Erwartungen.

Im Gedicht drückt das lyrische Ich seine Gefühle von Enttäuschung und Verlust aus und spricht von einem Leben voller Trauer und verpasster Gelegenheiten. Es hat das Gefühl, dass sein Leben kurz und traurig war („doch Tränen gab der kurze Lenz mir nur“). Es fühlt sich tödlich und dem Tod nahe und hat das Gefühl, dass es keine Freude oder Glück in seinem Leben gibt („ich weiß von keiner Seligkeit“). Es klagt seine „verhüllte Richterin“ (die Zeit oder die Ewigkeit) an und hebt seine Leiden und Verluste hervor. Es hat seinen Glauben und seine Hoffnungen auf ein besseres Leben aufgegeben und scheint nun um seinen „Lohn“ oder um Gerechtigkeit zu bitten.

Das Gedicht weist eine klare und deutliche Form auf, mit 20 fünfzeiligen Strophen, was eine gewisse Struktur und Ordnung suggeriert. Die Sprache des Gedichts ist poetisch und voller Symbolik, mit vielen Anklängen an klassische mythische und literarische Motive (z.B. „Arkadien“, „Laura“, „Ewigkeit“, „Götter“). Das Gedicht macht auch Gebrauch von rhetorischen Fragen und Dialogen, um seine Gedanken und Gefühle zu artikulieren und die Widersprüchlichkeiten und Paradoxe des Lebens hervorzuheben.

Insgesamt ist das Gedicht „Resignation“ ein tiefgründiges und bewegendes Werk, das die Existenzängste und existentiellen Fragen seines lyrischen Ichs zum Ausdruck bringt. Es spiegelt Schillers Fähigkeit wider, komplexe Emotionen und philosophische Gedanken in einer zugänglichen und poetischen Weise auszudrücken.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Resignation“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Friedrich Schiller. Der Autor Friedrich Schiller wurde 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1786 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Schiller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Die Epoche des Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird die Epoche des Sturm und Drang auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Jugend- und Protestbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit der Hinwendung Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und endete mit Goethes Tod im Jahr 1832. Literarisches Zentrum und Ausgangspunkt der Weimarer Klassik (kurz auch häufig einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Menschlichkeit, Toleranz und Übereinstimmung von Natur und Mensch, von Individuum und Gesellschaft sind die Ideale der Klassik. Im Zentrum des klassischen Kunstkonzepts steht das Streben nach harmonischem Ausgleich der Gegensätze. In der Klassik wird eine sehr geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Kurze, allgemeingültige Aussagen sind häufig in Werken der Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, setzte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich immer wieder an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Goethe, Schiller, Wieland und Herder können als die Hauptvertreter der Weimarer Klassik betrachtet werden. Aber nur Goethe und Schiller inspirierten und motivierten einander durch eine intensive Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das Gedicht besteht aus 100 Versen mit insgesamt 20 Strophen und umfasst dabei 603 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Friedrich Schiller sind „Bacchus im Triller“, „Baurenständchen“ und „Breite und Tiefe“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Resignation“ weitere 220 Gedichte vor.

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