Reise von Lyon, nach der Perte du Rhone von Friederike Brun

An Matthisson, im Merz 1791

Hier wo der Rhodan grünlich Silber rollt,
Der nahen Höhen Schneegewand entschwindet –
Begrüß’ ich dich, o Lenz! der, friedlich hold,
Mit warmem Hauch die Blütenzeit verkündet!
 
Bardale jubelt, hoch verschwebt in Luft,
Und zartes Grün umkeimt des Wandrers Pfade;
Der Berge Höh’ umflort ein leichter Duft,
Die Stelze sucht ihr Nest am Bachgestade.
 
Doch schroff klimmt aus dem Thal der Pfad hinan,
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Wo Felsenstirnen grausend überhängen;
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Und enger wird die wildverschlungne Bahn,
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Um die sich Trümmer riesenmässig drängen.
 
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Still dämmernd ruht, im Abgrund eingesenkt,
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Cerdonens Thal, vom Abendroth bemahlet;
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Vauclusen ähnlich, das mein Geist sich denkt,
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Mit wilder Anmut zauberisch bestralet.
 
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Entschwunden, ach! entschwunden war mein Thal –
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Und nackte wilde Felsenzacken starrten
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Auf kalter Höh’ empor im lezten Stral,
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Empor aus Nebeln die des Dunkels harrten.
 
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Doch freundlich lacht, o Nantua! dein See,
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Vom Morgenlicht an Klippen übergüldet,
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Das an des Fichtenberges heitrer Höh’
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Der Rosenknospe sanftes Roth gebildet.
 
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Am jähen Abhang schwebt jezt unser Weg,
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Wo schaurig tief die Varceline rauschet;
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Doch schon empfängt uns ein umbluhter Steg,
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Den Liebe still, und Heimlichkeit umlauschet.
 
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Wie sanft, wie schmeichelnd, wie so lieblich wallt
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Der Rhodan hier von grünen Höh’n hernieder!
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Wie Silberthau auf frischer Wiese stralt;
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Melodisch, wie des Furrön Schwans Gefieder!
 
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Wer stürzt dich wild in diese Kluft herab,
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Wie Donner stark, und schneller wie Gedanken,
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Daß um dein tiefes schreckenvolles Grab,
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Erstaunt und bang, die Felsenmassen wanken?
 
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Es brüllt die Flut tief in der Erde Schooß,
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Und schleudert Schaum hoch aus der schwarzen Hülle;
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Drängt sich durch’s Trümmerchaos, reißt sich los,
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Und rauscht hervor mit angeborner Fülle.
 
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Allein noch bebt mein Herz sich unbewußt,
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Und meinem Blick entfliehet dies Gebilde;
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Ich finde mich, erwacht zu neuer Lust,
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Auf weichem Moos, im lieblichsten Gefilde.
 
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Hier dacht’ ich dein, du Liebling der Natur,
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Der ihr lobsingt in Nachtigallen-Tönen,
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O Matthisson! der ihre leise Spur
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Entzückt verfolgt durch himmelvolle Szenen!
 
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O folg’ auch hier! Es ruft dein Genius;
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Dir winkt dies Thal, der ew’gen Allmacht Tempel!
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Nicht nur die Alpen wähle sich dein Fuß;
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Des Jura Saum trägt auch der Gottheit Stempel!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Reise von Lyon, nach der Perte du Rhone“

Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
52
Anzahl Wörter
344
Entstehungsjahr
1791
Epoche
Klassik

Gedicht-Analyse

Ein Gedicht von Friederike Brun mit dem Titel „Reise von Lyon, nach der Perte du Rhone“ liegt vor. Brun war eine deutsche Schriftstellerin, die von 1765 bis 1835 lebte, weshalb das Gedicht zeitlich in die Epoche der Romantik einzuordnen ist.

Der erste Eindruck des Gedichts lässt auf eine detaillierte Schilderung einer Landschaft mit ihren natürlichen Besonderheiten schließen. Es scheint, dass das lyrische Ich eine Reise oder Wanderung unternimmt und dabei die Umgebung sehr genau wahrnimmt und beschreibt.

Die insgesamt dreizehn Strophen des Gedichts entfalten ein facettenreiches Bild der Landschaft, die das lyrische Ich durchquert. Angefangen vom grünlich silbern schimmernden Rhone-Fluss, über die begrüßte Ankunft des Frühlings, die jubelnde Nachtigall und die Felslandschaften, bis hin zum Lieblingsplatz des lyrischen Ichs auf weichem Moos. Eindrucksvoll sind vor allem die detaillierten Beschreibungen der Natur und der Einfluss, den diese auf das lyrische Ich hat.

Die Sprache und Form des Gedichts sind geprägt von zahlreichen Naturbeschreibungen und poetischen Metaphern. Der rote Faden ist die Reise durch die Landschaft, die immer wieder durch entsprechende lyrische Bilder lebendig und erfahrbar gemacht wird. Dabei wird auch der emotionale Zustand des lyrischen Ichs deutlich: Es ist auf der Suche, zunächst erfreut über die Ankunft des Frühlings, dann aber auch erschrocken und beängstigt von den rauen, unzugänglichen Felslandschaften und schließlich sehnsüchtig und verliebt in seine Lieblingsorte. Das Gedicht folgt einem strengen vierzeiligen Strophenmuster und ist in einem poetischen, teils archaischen Deutsch verfasst. Durch diesen Sprachgebrauch hebt sich die Stimmung des Gedichts von den einfachen Naturbildern ab und verleiht ihnen eine tiefere, symbolische Bedeutung.

Zusammenfassend ist „Reise von Lyon, nach der Perte du Rhone“ von Friederike Brun ein lyrisches Meisterwerk, das durch die Verschmelzung von Naturbeschreibung und Gefühlsausdruck besticht. Die klare Struktur und poetische Sprache des Gedichts machen es trotz seiner Länge und Dichte leicht zugänglich und erfahrbar.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Reise von Lyon, nach der Perte du Rhone“ der Autorin Friederike Brun. Brun wurde im Jahr 1765 in Gräfentonna geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1791. Zürich ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text der Epoche Klassik zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 52 Versen mit insgesamt 13 Strophen und umfasst dabei 344 Worte. Friederike Brun ist auch die Autorin für das Gedicht „An Selma Gerstenberg“, „An eine Sängerin“ und „An meine Freundinn Charlotte, Gräfin von Dernath, geborne Bernstorf“. Zur Autorin des Gedichtes „Reise von Lyon, nach der Perte du Rhone“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 58 Gedichte vor.

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