Rechtfertigung von Erich Mühsam

Ich hab' euch wenig schmahtende Psalmen gesungen,
noch predigt' ich euch wieder Pfarrer im frommen Vereine,
Genossen der Arbeit!
Doch ist euch mein Lied durch die Haut in die Seelen gedrungen,
dann tat ich das Meine.
 
Mein Sang tönt nicht nach letzter ästhetischer Mode.
Nie hat er die Reime von Herzen und Schmerzen vermieden,
Genossen des Schicksals!
Doch siedet er euch das Blut auf dem Marsche zum Tode,
10 
so bin ich zufrieden.
 
11 
Virtuosen und Troubadoure laßt lispelnd schalmeien.
12 
Ich weiß es: euch flattert kein Haar bei dem sanften Geraune,
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Genossen der Kampfstatt!
14 
Ihr lauscht auf den Schall, der euch weckt, die Welt zu befreien.
15 
darum blas ich die Posaune.
 
16 
Wirft mich literarischer Troß zum rostigen Eisen, –
17 
ich hab euch entflammt, und so trotz' ich der kritischen Säure,
18 
Genossen der Zukunft!
19 
Ihr Jugend! Ihr Jüngsten! Euch blas ich zum Sturme die Weise. –
20 
So bleib ich der Eure!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Rechtfertigung“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
146
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Rechtfertigung“ stammt von Erich Mühsam, einem bedeutenden deutschen Dichter und Revolutionär des frühen 20. Jahrhunderts. Mühsam veröffentlichte seine Arbeiten hauptsächlich während der Weimarer Republik und des frühen Nationalsozialismus. Daher kann das Gedicht zeitlich diesem Zeitraum zugeordnet, und in den Kontext der politischen und sozialen Unruhen dieser Zeit gesetzt werden.

Im ersten Eindruck wirkt das Gedicht leidenschaftlich und engagiert, mit einer starken Botschaft an die Leser. Es vermittelt das Gefühl einer tiefen Verbundenheit des lyrischen Ichs mit dem Arbeitsvolk und einer Hingabe an die revolutionäre Sache.

Das Gedicht dreht sich um die Verteidigung des persönlichen Beitrags des lyrischen Ichs zur Arbeiterbewegung. Es stellt sich im Kontext einer widerständigen Poesie dar, die nicht nach ästhetischen Regeln sucht, sondern sich als Mittel zur politischen Mobilisierung versteht. Das lyrische Ich präsentiert sich als ein Dichter, dessen Verse direkt in die Seelen der Arbeiter dringen und ihr Blut zum Kochen bringen. Es scheint eine Art von Missachtung gegenüber der Hochkultur zu zeigen, betont aber gleichzeitig seine Zufriedenheit, wenn seine Poesie die Arbeiter erreicht und sie zum Handeln bewegt.

Das Gedicht ist in vier Strophen gegliedert, jede mit fünf Versen. Diese strenge Form steht in Kontrast zur rebellischen Haltung, die in den Versen ausgedrückt wird. Die Sprache ist einfach, direkt und kraftvoll, ohne den Einsatz von althergebrachter Poesie. Stattdessen wird die Lyrik als Waffe in einem sozialen und politischen Kampf dargestellt. Die wiederholte Anrede „Genossen“ verstärkt die Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse und die revolutionäre Botschaft des Gedichts.

Letztlich ist Mühsams „Rechtfertigung“ ein leidenschaftliches Bekenntnis zu einer Poesie, die nicht der reinen Kunst, sondern dem politischen Kampf dient. Es widerspiegelt seine revolutionären Überzeugungen und seine Verbundenheit mit den Arbeitern und unterstreicht seine Absicht, durch seine Verse zur Veränderung beizutragen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Rechtfertigung“ ist Erich Mühsam. Mühsam wurde im Jahr 1878 in Berlin geboren. 1920 ist das Gedicht entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Mühsam handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 146 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Erich Mühsam ist auch der Autor für Gedichte wie „Betäubung“, „Das Beispiel lebt“ und „Das Volk der Denker“. Zum Autor des Gedichtes „Rechtfertigung“ haben wir auf abi-pur.de weitere 57 Gedichte veröffentlicht.

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