Rebellenlied von Erich Mühsam

Sie hatten uns mit Zwang und Lügen
in ihre Stöcke eingeschraubt.
Sie hatten gnädig uns erlaubt,
in ihrem Joch ihr Land zu pflügen.
Sie saßen da in Prunk und Pracht
mit vollgestopftem Magen
und zwangen uns, für ihre Macht
einander totzuschlagen.
Doch wir, noch stolz auf unsre Fesseln,
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verbeugten uns vor ihren Sesseln.
 
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Sie kochten ihre Larvenschminke
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aus unserm Blut und unserm Schweiß.
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Sie traten uns vor Bauch und Steiß,
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und wir gehorchten ihrem Winke.
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Sie fühlten sich unendlich wohl,
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sie schreckte kein Gewitter.
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Jedoch ihr Postament war hohl,
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ihr Kronenschmuck war Flitter.
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Wir haben nur die Faust erhoben,
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da ist der ganze Spuk zerstoben.
 
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Es rasseln zwanzig Fürstenkronen.
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Die erste Arbeit ist geschafft.
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Doch, Kameraden, nicht erschlafft,
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soll unser Werk die Mühe lohnen!
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Noch füllen wir den Pfeffersack
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auf ihr Geheiß den Reichen;
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noch drückt das Unternehmerpack
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den Sporn uns in die Weichen.
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Noch darf die Welt uns Sklaven heißen, –
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noch gibt es Ketten zu zerreißen.
 
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Vier Jahre hat die Welt der Knechte
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ihr Blut verspritzt fürs Kapital.
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Jetzt steht sie auf, zum erstenmal
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für eigne Freiheit, eigne Rechte.
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Germane, Römer, Jud und Russ
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in einem Bund zusammen, –
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der Völker brüderlicher Kuß
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löscht alle Kriegesflammen.
39 
Jetzt gilt's die Freiheit aufzustellen. –
40 
Die rote Fahne hoch, Rebellen!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Rebellenlied“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
206
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Rebellenlied“ wurde von Erich Mühsam geschrieben, einem deutsch-jüdischen Anarchisten, Antimilitaristen und Schriftsteller, der von 1878 bis 1934 lebte. Seine Lebenszeit und sein Schaffen fallen damit in die Zeit des Deutschen Kaiserreichs, der Weimarer Republik und des beginnenden Nationalsozialismus.

Dieses Gedicht vermittelt auf den ersten Blick einen starken Eindruck von Unterdrückung und daraus resultierender Rebellion. Es richtet sich gegen Systeme von Macht und Autorität und fordert ihren Sturz.

Inhaltlich geht es um Unterdrückte, die lange Zeit gedemütigt und ausgenutzt wurden, aber schließlich ihre Macht erkannt und sich aufgelehnt haben. Sie zeigten den scheinbar Mächtigen, dass ihre Macht auf Lügen und Betrug basiert und zerstörten ihre Illusion von Kontrolle. Doch trotz ihres ersten Sieges, bleibt noch viel zu tun. Es gibt immer noch zu viele Menschen, die in Armut und Ausbeutung leben müssen. Das lyrische Ich fordert daher alle Unterdrückten aller Nationen auf, für ihre Rechte zu kämpfen und die Welt zu verändern.

Das Gedicht ist in vier Strophen mit jeweils zehn Versen strukturiert, welche einen klaren Rhythmus und Reimschema aufweisen, was es wie ein marschierendes Lied oder eine Hymne erscheinen lässt. Dies trägt zur kämpferischen Atmosphäre bei. Die Sprache ist stark und provokativ, gespickt mit kraftvollen Metaphern und Symbolen, die die Extreme von Unterdrückung und Rebellion zum Ausdruck bringen.

Insgesamt ist „Rebellenlied“ ein kraftvoller Aufruf zum Widerstand und zur Revolution. Es ist auch ein Aufruf zu Solidarität und gemeinsamen Handeln, unabhängig von Nationalität oder Herkunft. Es verkörpert Mühsams Glauben an die Macht der Unterdrückten, ihre eigenen Schicksale zu verändern, wenn sie sich zusammenfinden und gegen diejenigen auflehnen, die versuchen, sie zu kontrollieren. Es ist somit ein poetischer Ausdruck des anarchistischen Glaubens an die Freiheit und Autonomie des Individuums. Es spiegelt die politischen und sozialen Umstände seiner Zeit wider, ist aber zugleich universell in seiner Botschaft des Widerstands gegen Ungleichheit und Ungerechtigkeit.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Rebellenlied“ ist Erich Mühsam. Im Jahr 1878 wurde Mühsam in Berlin geboren. Im Jahr 1920 ist das Gedicht entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Expressionismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Mühsam handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 206 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Die Gedichte „... Der für die Menschheit starb“, „1919“ und „An die Dichter“ sind weitere Werke des Autors Erich Mühsam. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Rebellenlied“ weitere 57 Gedichte vor.

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