Prometheus von Johann Wolfgang von Goethe

Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst!
Und übe, Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöh'n!
Mußt mir meine Erde
Doch lassen steh'n,
Und meine Hütte,
Die du nicht gebaut,
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Und meinen Herd,
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Um dessen Glut
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Du mich beneidest.
 
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Ich kenne nichts Ärmeres
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Unter der Sonn' als euch Götter!
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Ihr nähret kümmerlich
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Von Opfersteuern
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Und Gebetshauch
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Eure Majestät
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Und darbtet, wären
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Nicht Kinder und Bettler
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Hoffnungsvolle Toren.
 
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Da ich ein Kind war,
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Nicht wußte, wo aus, wo ein,
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Kehrt' ich mein verirrtes Auge
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Zur Sonne, als wenn drüber wär
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Ein Ohr zu hören meine Klage,
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Ein Herz wie meins,
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Sich des Bedrängten zu erbarmen.
 
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Wer half mir
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Wider der Titanen Übermut?
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Wer rettete vom Tode mich,
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Von Sklaverei?
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Hast du's nicht alles selbst vollendet,
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Heilig glühend Herz?
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Und glühtest, jung und gut,
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Betrogen, Rettungsdank
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Dem Schlafenden dadroben?
 
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Ich dich ehren? Wofür?
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Hast du die Schmerzen gelindert
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Je des Beladenen?
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Hast du die Tränen gestillet
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Je des Geängsteten?
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Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
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Die allmächtige Zeit
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Und das ewige Schicksal,
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Meine Herren und deine?
 
47 
Wähntest du etwa,
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Ich sollte das Leben hassen,
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In Wüsten fliehn,
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Weil nicht alle Knabenmorgen-
51 
Blütenträume reiften?
 
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Hier sitz' ich, forme Menschen
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Nach meinem Bilde,
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Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
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Zu leiden, weinen,
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Genießen und zu freuen sich,
57 
Und dein nicht zu achten,
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Wie ich!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.5 KB)

Details zum Gedicht „Prometheus“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
58
Anzahl Wörter
225
Entstehungsjahr
1772–1774
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das analysierte Gedicht „Prometheus“ stammt von Johann Wolfgang von Goethe, einem der wohl bekanntesten Dichter aus dem Zeitalter der Weimarer Klassik, der von 1749 bis 1832 lebte.

Dem ersten Eindruck nach handelt es sich bei dem Gedicht um einen kraftvollen Ausdruck der Missbilligung und Rebellion gegenüber den Göttern, insbesondere Zeus. Das lyrische Ich verkörpert in diesem Gedicht Prometheus, eine Figur der griechischen Mythologie, der für seinen Trotz gegenüber den Göttern bekannt ist.

In dem Gedicht widersetzt sich das lyrische Ich den Göttern und ihren Anforderungen. Es weigert sich, den Himmel von Zeus, die Autorität und die von den Göttern festgelegten Normen zu akzeptieren. Es wirft den Göttern Armut und Abhängigkeit von den Menschen vor und verweigert ihnen Respekt und Verehrung. Das lyrische Ich besteht darauf, dass es seine Existenz und seine Stärke den harten Lebensumständen und nicht den Göttern – seinen und unseren Herrschern – zu verdanken hat. Abschließend verkündet es seine Absicht, Menschen in seinem eigenen Bilde zu schaffen und sie zu fähigen, unabhängigen Wesen zu machen, die sich ihrer Gefühle gewahr sind und die Götter missachten, genau wie das lyrische Ich selbst.

Die Form des Gedichts ist sehr rhythmisch und kraftvoll und spiegelt damit treffend den rebellischen Geist des lyrischen Ichs wider. Es besteht aus sieben Strophen unterschiedlicher Länge, die den verschiedenen Stadien seiner Argumentation und seiner sich entwickelnden Emotionen entsprechen. In puncto Sprache bemerkt man den Gebrauch von imperativen Anweisungen und rhetorischen Fragen, um die Rebellion und Unabhängigkeit des lyrischen Ichs zu betonen. Stirnrunzelnde Metaphern und personifizierte Verben verdeutlichen seinen Abscheu und seine Verachtung für die Götter. Schließlich verwendet Goethe biblische Allusionen, um seinem Gedicht eine universelle Bedeutung zu verleihen und es mit der menschlichen Fähigkeit zu verbinden, sich gegen übermächtige Autoritäten aufzulehnen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Prometheus“ ist Johann Wolfgang von Goethe. Geboren wurde Goethe im Jahr 1749 in Frankfurt am Main. Das Gedicht ist im Jahr 1774 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Goethe ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Der Literaturepoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Die Schriftsteller versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Die Weimarer Klassik ist eine Literaturepoche, die insbesondere von den Dichtern Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller geprägt wurde. Die Italienreise Goethes im Jahr 1786 markiert den Beginn der Epoche. Das Todesjahr von Goethe, 1832, markiert das Ende der Weimarer Klassik. In der Epoche sind Einflüsse der Französischen Revolution festzustellen. Die Weimarer Klassik wird oft nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen sind in der Literatur gebräuchlich. Humanität, Güte, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Harmonie sind die bedeutenden Themen. Die Klassik orientiert sich am antiken Kunstideal. In der Gestaltung wurde das Gültige, Gesetzmäßige, Wesentliche sowie die Harmonie und der Ausgleich gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oft derb und roh ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Die wichtigsten Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Andere bekannte Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Die beiden letztgenannten arbeiteten aber jeweils für sich. Einen produktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Das vorliegende Gedicht umfasst 225 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 58 Versen. Johann Wolfgang von Goethe ist auch der Autor für Gedichte wie „An den Mond“, „An den Schlaf“ und „An den Selbstherscher“. Zum Autor des Gedichtes „Prometheus“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1618 Gedichte veröffentlicht.

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