Prolog von Klabund

Ich sitze hier am Schreibetisch
Und schreibe ein Gedichte,
Indem ich in die Tinte wisch
Und mein Gebet verrichte.
 
So giebt sich spiegelnd Vers an Vers
In ölgemuter Glätte.
Nur selten fragt man sich: Wie wärs,
Wenn es mehr Seele hätte?
 
Die Seele tut mir garnicht weh,
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Sie ist ganz unbeteiligt.
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Nackt liegt sie auf dem Kanapee
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Und durch sich selbst geheiligt.
 
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Des Abends geh ich mit ihr aus,
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Im Knopfloch eine Dalie.
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Ich selber heiße Stanislaus,
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Sie aber heißt Amalie.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24 KB)

Details zum Gedicht „Prolog“

Autor
Klabund
Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
81
Entstehungsjahr
1913
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht wurde von Klabund verfasst, der mit bürgerlichem Namen Alfred Henschke hieß und von 1890 bis 1928 lebte. Somit ordnet sich das Gedicht in die Epoche der literarischen Moderne ein, die Ende des 19. und Anfang des 20.Jahrhunderts herrschend war. Die Moderne ist vor allem geprägt durch eine Suche nach Neuem und einer Abkehr von traditionellen Formen und Inhalten, was sich auch in Klabunds Gedicht widerspiegelt.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht humorvoll und selbstironisch. Es behandelt den poetischen Schaffensprozess und reflektiert über die Distanz zwischen Schreibenden und seiner Seele sowie die Rolle der Seele in der Dichtung.

Das lyrische Ich sitzt an seinem Schreibetisch und schreibt ein Gedicht. Es betrachtet dies als eine Art Gebet oder rituelle Handlung. Die Verse scheinen dabei flüssig aufeinander zu folgen, jedoch stellt sich das lyrische Ich die Frage, ob das Gedicht mehr Seele bräuchte. Die Seele selbst scheint nicht an diesem Prozess beteiligt zu sein, sie liegt einfach da, heilig in ihrer Selbstgenügsamkeit. Am Abend geht das lyrische Ich mit seiner Seele, die es Amalie nennt, aus. Das lyrische Ich, das sich selbst Stanislaus nennt, zeigt hier eine Trennung zwischen sich und seiner Seele auf.

Formal folgt das Gedicht einem klassischen Aufbau mit vier Vierzeilern (Quatrains). Die Sprache ist klar und unkompliziert, was eine schnelle und direkte Durchdringung des Textes ermöglicht. Die Wahl der Worte sowie die Anspielung auf das lyrische Ich, das mit seiner Seele spazieren geht, trägt zu dem humorvollen und ironischem Ton des Gedichts bei.

Das Gedicht wirft die Frage auf, wie Kunst entsteht und welcher Anteil der Seele dabei zukommt. In ironischer Umkehr wird die Seele als passiv dargestellt, während der Schreibprozess als Handwerk und Fertigkeit betont wird. Unterschwellig kritisiert Klabund das traditionelle Verständnis von Kunst als Ausdruck der Seele und Dichtung als Ausdruck tief empfundenen Gefühls. Gleichzeitig legt das Gedicht nahe, dass die Seele zwar ein Teil des Dichters ist, aber nicht notwendigerweise ein aktiver Part am Schreibprozess hat.

Weitere Informationen

Klabund ist der Autor des Gedichtes „Prolog“. Klabund wurde im Jahr 1890 in Crossen an der Oder geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1913 zurück. Der Erscheinungsort ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 81 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Klabund ist auch der Autor für Gedichte wie „Berliner Mittelstandsbegräbnis“, „Berliner in Italien“ und „Blumentag“. Zum Autor des Gedichtes „Prolog“ haben wir auf abi-pur.de weitere 139 Gedichte veröffentlicht.

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