Prag von Ada Christen

Auf dem alten jüdischen Friedhofe

Sinnend stand ich bei dem Grabe
Rabby Löv’s, des jüd’schen Weisen,
Hörte wie im Traum den Führer
Seine todten Ahnherrn preisen.
 
Und warum, so frug ich staunend,
All’ die Juden, groß und kleine,
Auf das Grab mit leisem Murmeln
Werfen bunte Kieselsteine?
 
Und es wurde mir die Antwort:
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„Um zu ehren, ist geboten,
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Daß wir Blumen streu’n Lebend’gen,
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Steine auf das Grab der Todten.“
 
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Von solch’ heidnischem Gebrauche
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Sind wir Christen längst gereinigt:
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Wir bekränzen stets die Gräber
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Jener, welche wir gesteinigt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „Prag“

Autor
Ada Christen
Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
86
Entstehungsjahr
1870
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Prag“ wurde von der österreichischen Dichterin Ada Christen verfasst, die von 1839 bis 1901 lebte. Ada Christen war eine Vertreterin der literarischen Moderne im ausgehenden 19. Jahrhundert, deren Werke oft von sozialkritischen Themen geprägt waren.

Der erste Eindruck des Gedichts verleitet zu der Überlegung, dass sich das lyrische Ich in einer Art spiritueller oder religiöser Suche oder Exkursion befindet. Die gemessen und klar strukturierten Verse suggerieren dabei eine gewisse Gravitas und Ernsthaftigkeit, die zu dieser Interpretation passen.

Inhaltlich setzt sich das lyrische Ich mit der jüdischen Bestattungskultur auseinander, konkret mit dem Brauch, Kieselsteine auf Gräber zu legen. Das lyrischen Ich fragt nach dem Warum dieser Tradition und erhält die Antwort, dass dies eine Art von Ehrerbietung für die Verstorbenen darstellt. Christen stellt dazu die christliche Praxis, Gräber mit Blumen zu schmücken, gegenüber und thematisiert damit die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen. Hier zeigt sich ein kritisches Bild von der christlichen Beerdigungskultur, wenn das lyrische Ich erwähnt, dass die Christen die Gräber derjenigen bekränzen, die sie gesteinigt haben. Dies kann als metaphorischer Verweis auf religiöse Intoleranz und Gewalt interpretiert werden.

Die Form des Gedichts ist durch die vier gleich langen Strophen charakterisiert. Sie bestehen jeweils aus vier Versen und folgen einer klaren, geordneten Struktur. Ada Christens Sprache ist einfach und klar, sie verwendet keine verschlungenen Metaphern oder komplizierte Symbolik. Das trägt zur Verständlichkeit und Eindringlichkeit ihrer Botschaft bei. Ihr Stil ist direkt und unverblümt, was möglicherweise ihre Absicht unterstreicht, sowohl die Unterschiede als auch die Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen aufzuzeigen und dabei soziale und religiöse Kritik zu üben. Die sprachliche Gestaltung des Gedichts unterstreicht somit seinen inhaltlichen Fokus und verdeutlicht die Botschaft der Dichterin.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Prag“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Ada Christen. 1839 wurde Christen in Wien geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1870 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Hamburg. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epoche sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 86 Worte. Weitere Werke der Dichterin Ada Christen sind „Am Teich“, „Asche“ und „Auf Ruinen“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Prag“ weitere 81 Gedichte vor.

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