An mein Reitpferd von August Ernst von Steigentesch
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O Thier, das schnell wie Wolkenflug |
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Mich oft zu Linas Küssen trug, |
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Dir Dank und Lohn zu geben |
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Soll dich mein Lied erheben. |
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Oft eiltest du bei Sturm und Nacht |
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Von ihr gewünscht, von ihr gedacht, |
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Auf dir bekannten Wegen |
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Der Wartenden entgegen. |
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Du schliefst im Gras, wenn leise sich |
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Mein Schritt am Haus vorüberschlich, |
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Um zwischen den Gesträuchen |
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Im Garten hinzuschleichen. |
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Wie schnell mich dort ihr Arm umfing, |
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Wie glühend Lipp’ an Lippe hing, |
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Um ewig unsre Seelen |
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Im Kusse zu vermählen! |
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Da floh die Nacht minutenschnell! |
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Ein Blick von ihr so sanft, so hell, |
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Ein Hauch aus ihrem Munde |
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Beflügelte die Stunde. |
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„Horch! dreimal brummt der Glocke Ton |
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Sieh! Nacht und Sterne schwinden schon, |
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Der Vollmond wiegt sich blässer |
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Im schlafenden Gewässer. |
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„Fort, fort! eh’ Argwohn und Verdacht |
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Am Fenster lauscht, im Haus’ erwacht. |
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Die Morgenlüfte wehen, |
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Man darf dich hier nicht sehen.“ |
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Ich wand mich los, ich kam zurück, |
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Mich hielt ihr Kuß, mich hielt ihr Blick, |
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Ihr Arm, um mich gewunden, |
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An diesen Ort gebunden. |
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Dann fort zu dir, und Peitsch’ und Sporn |
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Trieb dich durch Moor und Sumpf und Korn, |
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Mit Phöbus ersten Pfeilen |
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Dem Argwohn zu enteilen. |
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Dein Sommer schwand, dein Feuer wich, |
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Doch sollst du ruhig hier, wenn dich |
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Des Winters Flocken färben. |
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An meiner Krippe sterben. |
Details zum Gedicht „An mein Reitpferd“
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40
214
1799
Klassik,
Romantik
Gedicht-Analyse
Das zu interpretierende Gedicht heißt „An mein Reitpferd“ von August Ernst von Steigentesch. Der Autor, ein Schriftsteller und Jurist, lebte vom 12. Januar 1774 bis zum 30. Dezember 1826. Dies lässt uns das Gedicht in die (Spät-)Aufklärung bzw. in die Frühromantik einordnen.
Der erste Eindruck des Gedichts ist, dass es eine Art Ballade ist, die eine besondere Beziehung zwischen dem lyrischen Ich und seinem Pferd zeigt, eine Art Partnerschaft, die auf Liebe, Loyalität und Abenteuer beruht. Dabei wird deutlich, dass das lyrische Ich eine romantische, heimliche Beziehung zu einer Frau namens Lina hat, zu der das Pferd ihn oft brachte.
Im Detail betrachtet zeigt sich, dass das lyrische Ich seinem Pferd dankbar ist. Dieses verhalf ihm dazu, seine Liebste zu treffen, selbst bei Sturm und Nacht. Sowohl das lyrische Ich als auch das Pferd schlichen sich heimlich zu Lina, wobei die geheimen nächtlichen Treffen als intensiv, leidenschaftlich und schnell fließend beschrieben werden. Das lyrische Ich nutzt das Pferd, um sich schnell und unbemerkt wieder zu entfernen, bevor es bemerkt wird. Auch als das Pferd im Alter seine Kraft verliert, zeigt das lyrische Ich Loyalität, indem es verspricht, dass das Pferd seinen Lebensabend in Ruhe verbringen darf.
Formal betrachtet besteht das Gedicht aus zehn vierversigen Strophen, die alle in einem einheitlichen Reimschema (Kreuzreim: ABAB) gehalten sind. Dies verleiht dem Gedicht einen rhythmischen, balladenhaften Charakter.
Die Sprache ist recht einfach und direkt, mit einer Reihe bildhafter Metaphern („schnell wie Wolkenflug“, „schlafendes Gewässer“, „Phöbus ersten Pfeilen“) und vielen bildhaften und sinnlichen Beschreibungen, die eine Atmosphäre von Geheimnis, Abenteuer und Leidenschaft erzeugen. Faszinierend ist, wie das Pferd fast vermenschlicht wird und als verlässlicher Partner dargestellt wird, der das lyrische Ich unterstützt und ihm in wichtigen Momenten beisteht. Dies macht es zu einer Hommage an die unschätzbare Rolle, die Tiere im menschlichen Leben spielen können.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An mein Reitpferd“ des Autors August Ernst von Steigentesch. Im Jahr 1774 wurde Steigentesch in Hildesheim geboren. Im Jahr 1799 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Tübingen. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Klassik oder Romantik zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 214 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen. August Ernst von Steigentesch ist auch der Autor für Gedichte wie „Erinnerung“, „Wiegenlied“ und „Wiegenlied“. Zum Autor des Gedichtes „An mein Reitpferd“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.
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