Sonett 285 von Francesco Petrarca

O Tag, o Stund’, o letzter Augenblick!
Grausame Sterne, mir zum Leid verbündet!
O treuer Blick, was war’s, das du verkündet,
Als ich auf ewig schied von meinem Glück?
 
Jetzt fühl’ ich es, geöffnet ist mein Blick —
Dort sagt’ ich mir, am eiteln Wahn erblindet:
Du gehst von ihr, ein Theil des Glückes schwindet,
Doch sie bleibt dir, die Herrliche, zurück.
 
Ach! nicht wie ich geglaubt sollt’ es sich fügen,
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Verlöschen sollte meines Lebens Licht,
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Auch stand’s in ihren süßen bittern Zügen.
 
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Doch ach! ein Schleyer deckte mein Gesicht,
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Ich sah nicht, was ich sahe vor mir liegen,
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Und elend ward ich, und versah mich’s nicht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Sonett 285“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
109
Entstehungsjahr
nach 1320
Epoche
Spätmittelalter

Gedicht-Analyse

Dieses Sonett stammt von Francesco Petrarca, einem italienischen Dichter, der als einer der wichtigsten Vertreter der literarischen Epoche des Humanismus gilt. Petrarca lebte von 1304 bis 1374, was dieses Gedicht in das ausgehende Mittelalter und die frühe Renaissance einordnet.

Auf den ersten Blick erweckt das Gedicht den Eindruck intensiver Emotionalität. Es scheint eine tragische Situation zu schildern und eine Mischung aus Reue, Traurigkeit und bitterer Erkenntnis zu vermitteln.

Inhaltlich befasst sich das lyrische Ich mit dem Verlust eines Glücks, das es offenbar selbst verschuldet hat. In der ersten Strophe wird eine intensive emotionale Reaktion und eine Anklage gegen das Schicksal ausgedrückt, dass mit den „grausamen Sternen“ personifiziert wird. Das lyrische Ich gesteht, eine falsche Annahme gemacht zu haben – es dachte, es könne von seiner Glücksquelle weggehen und dennoch einen Teil davon behalten. In der dritten Strophe offenbart sich die bittere Wahrheit: Was das lyrische Ich verloren hat, war das Licht seines Lebens, dessen Ende bereits in „ihren süßen bittern Zügen“ angedeutet war. Die letzte Strophe beschreibt die Selbsttäuschung und das fatale Unterschätzen der Situation, das letztlich zu seinem elenden Zustand geführt hat.

Formal ist das Gedicht ein Sonett, eine strenge Gedichtform, die aus 14 Versen besteht – normalerweise aufgeteilt in zwei Quartette (je vier Verse) und zwei Terzette (je drei Verse). Die strenge Form stellt in gewisser Weise einen Kontrast zur wilden Emotionalität des Gedichtsinhalts dar.

Die Sprache des Gedichts ist voller bildlicher Ausdrücke und Personifikationen. Sie ist von großer Intensität und Emotionalität geprägt. Durch den häufigen Gebrauch von Ausrufen („O Tag, o Stund’, o letzter Augenblick!“, „Ach! nicht wie ich geglaubt...“) wird die innere Aufruhr des lyrischen Ichs betont. Der Wortgebrauch ist altmodisch und entspricht der Sprache der Zeit Petrarca's, was beim heutigen Leser ein Gefühl von historischer Distanz erzeugen kann. Sprachliche Mittel, wie die Antithese („süßen bittern Zügen“), helfen, die Zerrissenheit und den inneren Konflikt des lyrischen Ichs zu verdeutlichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Petrarca in Sonett 285 das Drama und die Tragik eines selbstverschuldeten Glücksverlusts intensiv zum Ausdruck bringt.

Weitere Informationen

Francesco Petrarca ist der Autor des Gedichtes „Sonett 285“. Der Autor Francesco Petrarca wurde 1304 in Arezzo geboren. Zwischen den Jahren 1320 und 1374 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Wien. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Spätmittelalter zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 109 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Die Gedichte „Sonett 104“, „Sonett 113“ und „Sonett 115“ sind weitere Werke des Autors Francesco Petrarca. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sonett 285“ weitere 41 Gedichte vor.

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