Sonett 203 von Francesco Petrarca

Der Herrscher, den nicht hemmt in seinen Siegen
Verbergen, wehren, oder eilig fliehen,
Ließ mir, weil ich bezaubert sollt’ entglühen,
Ins Herz den schärfsten Pfeil der Liebe fliegen.
 
Wohl mußt’ ich schon dem ersten Streich erliegen,
Doch weiter gieng sein grausames Bemühen,
Denn auch des Mitleids Pfeil sah ich ihn ziehen,
Und doppelt muß ich Armer mit ihm kriegen.
 
Die eine Wunde zeiget Feuersgluthen,
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Die andre Thränen, wenn in Schmerz versunken
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Ich dich erblicke, wie dein Auge trübe.
 
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Doch kann der Doppelquell der Thränenfluthen
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Von meinem Feu’r nicht löschen einen Funken,
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Ja, höher durch das Mitleid wächst die Liebe.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „Sonett 203“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
100
Entstehungsjahr
nach 1320
Epoche
Spätmittelalter

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sonett 203“ wurde geschrieben von Francesco Petrarca, einem der bekanntesten Dichter der italienischen Literatur und der Renaissance. Er lebte von 1304 bis 1374.

Auf den ersten Eindruck erscheint das Gedicht als eine intensive, tief emotional geprägte Beschreibung der inneren Verfassung des lyrischen Ichs – man könnte es als einen Ausdruck der Liebe, des Leids und der Sehnsucht interpretieren.

Das Gedicht erzählt von der Liebe des lyrisch Ichs, die es als eine Art Kampf darstellt, den es gegen sich selbst führt. Ein „Herrscher“, der ohne Hemmung siegt (Strophe 1, Vers 1), hat ihm ins Herz den „schärfsten Pfeil der Liebe“ geschossen (Strophe 1, Vers 4). Dieser Pfeil lässt das lyrische Ich brennen (Strophe 1, Vers 3). Doch es ist nicht nur die Liebe, die das lyrische Ich plagt. Der Herrscher schießt auch den Pfeil des Mitleids (Strophe 2, Vers 7), und so kämpft das lyrische Ich sowohl mit Liebe als auch mit Mitleid. Das Ich zeigt körperliche Symptome dieser Kämpfe – Glut aus einer Wunde und Tränen aus der Anderen (Strophe 3).

Obwohl die Tränenfluten hoch sind (Strophe 4, Vers 12), können sie das Feuer der Liebe nicht löschen. Tatsächlich wächst die Liebe durch das Mitleid sogar noch höher (Strophe 4, Vers 14).

Die Form des Gedichts ist ein Sonett, eine strenge Gedichtsform mit festem Reimschema, die besonders in der Liebeslyrik oft Verwendung findet. Hier zeigt sich das hohe handwerkliche Können Petrarcas. Die Auswahl der Worte und Metaphern, die Verbindung von Liebe und Leid, „Pfeil der Liebe”, „Mitleid”, „feurige Wunde“ und „Tränenfluten”, macht die Dramatik der gefühlten Liebe und die Zerrissenheit des lyrischen Ichs sehr anschaulich.

Die bildhafte Sprache und der erhabene Ton spiegeln die starke Emotionalität und die ritterliche Liebe des Mittelalters wider – gefühle sind eine Schlacht, Liebe ist ein Herrscher, und der Geliebte ist ein Leidender Ritter.

Indem Petrarca die Erfahrung der Liebe so deutlich als Leiden darstellt, zeigt er uns, wie tiefgreifend und chaotisch Eros auf das individuelle Leben einwirken kann. Aber auch das Mitleid spielt eine wichtige Rolle im Gedicht und wird als zweiter, komplizierender Faktor in der Liebeserfahrung des lyrischen Ichs eingeführt. Das Gedicht suggeriert, dass die negativen Aspekte der Liebe ihre Intensität und Schönheit nur verstärken, anstatt sie zu reduzieren. Daher hebt Petrarca die Bedeutung des Leidens und des Mitgefühls hervor, um eine umfassendere Vorstellung von Liebe zu kommunizieren.

Auffallend ist auch die Asymmetrie zwischen den ersten beiden Quartetten, die den Krieg des lyrischen Ichs schildern und den beiden letzten Terzetten, die dem Leser das innere Erleben und die Wunden des lyrischen Ichs nahe bringen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Sonett 203“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Francesco Petrarca. Der Autor Francesco Petrarca wurde 1304 in Arezzo geboren. Zwischen den Jahren 1320 und 1374 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Wien. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Spätmittelalter zu. Die Richtigkeit der Epoche sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 100 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 14 Versen. Die Gedichte „Sonett 127“, „Sonett 131“ und „Sonett 132“ sind weitere Werke des Autors Francesco Petrarca. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sonett 203“ weitere 41 Gedichte vor.

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