An einen Leuchtturm von Joachim Ringelnatz
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Da wir heute nur an Stellen, die seicht |
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Sind, modeln und graben — —. |
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Leuchtturm, deine Arme möchte ich haben |
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Und umarmen, was in deine Kreise reicht. |
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Wenn zwei treue Hände in weitem Bogen |
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Einander fangen — —. Ehe ihr Gruß spricht und lauscht, |
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Sind zehn lange Wogen vorübergezogen, |
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Hat ein Urwald gerauscht. |
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Weil das Niedrige überblickt sein sollte |
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Von dem weiten Blick über Meer und Land — —. |
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Als ich heute ein Glühwürmchen fangen wollte, |
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Erlosch sein Licht plötzlich. Und es entschwand. |
Details zum Gedicht „An einen Leuchtturm“
Joachim Ringelnatz
4
12
77
1932
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „An einen Leuchtturm“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Das Gedicht lässt sich somit in den zeitlichen Kontext der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, also der Weimarer Republik und der Anfänge des Nationalsozialismus einordnen.
Auf den ersten Blick geht es in dem Gedicht um einen Leuchtturm, seinen weiten Blick und sein ersticktes Licht, doch bei genauerer Betrachtung entfaltet sich ein tieferer Sinn. Das lyrische Ich bezieht sich auf das Arbeiten an flachen Stellen und die Sehnsucht, den Horizont zu erweitern. Es bewundert den Leuchtturm für seine erreichende Umarmung und Reduzierung der Distanz zwischen sich und dem Unerreichbaren.
Im zweiten Teil des Gedichts wird der Ausdruck der Sehnsucht mittels des Bildes einer Umarmung vertieft. Die Vorüberziehenden Wogen und der rauschende Urwald spiegeln die Vergänglichkeit und den ständigen Wandel der Zeit wider.
In der dritten Strophe unterstreicht das lyrische Ich die Notwendigkeit, über das Niedrigere hinauszublicken und den weiten Blick über Meer und Land zu wertschätzen. Es befürwortet eine Perspektive, die über den unmittelbaren Horizont hinausgeht und eine größere Sichtweise ermöglicht.
Die letzte Strophe fügt eine weitere Dimension hinzu. Sie enthält eine Metapher des Erreichens und Verlierens - das lyrische Ich versucht, ein Glühwürmchen zu fangen, doch dessen Licht erlischt und es verschwindet. Dies könnte als Symbol für flüchtige Chancen, verlorene Möglichkeiten oder die Zerbrechlichkeit des Lebens gedeutet werden.
Das Gedicht ist in freien Versen geschrieben und setzt durch den Einsatz von Ellipsen und das Fehlen eines festen Reimschemas auf Rhythmus und Tonfall statt auf Reim. Die Sprache ist eher schlicht, doch durch die Verwendung von Metaphern und Bildern wird viel Tiefe erreicht. Es zeigt Ringelnatz' Fähigkeit, alltägliche Bilder in tiefgründige philosophische Gedanken zu verwandeln. Daher kann das Gedicht als Kritik an der Kurzsichtigkeit und Oberflächlichkeit des modernen Lebens gesehen werden, die den Mensch daran hindern, das Große und Weite zu erkennen und zu schätzen. Es ist ein Appell, über den eigenen Horizont hinauszublicken und das Leben in seiner Ganzheit wahrzunehmen.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „An einen Leuchtturm“ ist Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1932 zurück. Der Erscheinungsort ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 12 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 77 Worte. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abglanz“, „Abschied von Renée“ und „Abschiedsworte an Pellka“. Zum Autor des Gedichtes „An einen Leuchtturm“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.
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