Persisch von Kurt Tucholsky
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Omar Chab, der Hofflötiste, |
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auf dem Markt zu Teheran, |
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steht auf einer Eierkiste, |
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stimmt die neue Sure an: |
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Oh kaleika, leika, leika – |
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Oh kaleikalé – |
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Oh kaleika, leika, leika – |
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piddljué–éeeeeh! – |
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Und das Volk tanzt ganz begeistert |
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(wie es Brauch) auf einem Bein; |
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Forscher, die gefühlsbekleistert, |
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schreiben es in Bücher ein: |
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Oh kaleika, leika, leika – |
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Oh kaleikalé – |
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Oh kaleika, leika, leika – |
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piddljué–éeeeeh! – |
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Theobald, der dies gelesen, |
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kriecht bei Clairen tief herein – |
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wo er einst entzückt gewesen, |
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bläst er nunmehr tief und fein: |
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Oh kaleika, leika, leika – |
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Oh kaleikalé – |
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Oh kaleika, leika, leika – |
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piddljué–éeeeeehh! – |
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Tje … |
Details zum Gedicht „Persisch“
Kurt Tucholsky
3
25
95
1919
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur
Gedicht-Analyse
Der Text ist ein Gedicht von Kurt Tucholsky, einem deutschen Schriftsteller und Journalisten, der von 1890 bis 1935 lebte. Tucholsky war bekannt für seine kritische und satirische Schreibweise und dies spiegelt sich auch in diesem Gedicht wider. Da Tucholsky in der Weimarer Republik sehr aktiv war, kann das Gedicht in diese Zeit eingeordnet werden.
Im Gedicht geht es um Omar Chab, einen Flötisten auf dem Markt von Teheran, der auf einer Eierkiste steht und eine neue Sure anstimmt. Das Volk tanzt dazu begeistert auf einem Bein. Dieses Phänomen wird von Forschern aufgezeichnet. Ein Mann namens Theobald liest von dieser Musik und versucht, sie vor Clairen, wohl seiner Liebschaft, nachzuspielen.
Auf den ersten Blick könnte das Gedicht humorvoll und unterhaltend wirken. Tucholsky spielt hier offenbar auf Orientalismus an, d.h. auf die romantisierte und stereotypisierte Darstellung des Orients durch den westlichen Blick. Dies wird durch die überspitzten Schilderungen von „exotischem“ Tanz und Musik sowie durch die karikierte Darstellung der Forscher, die diesen „exotischen“ Brauch in Bücher aufzeichnen, deutlich.
Tucholsky nutzt eine einfache und klare Sprache, sein Versmaß ist relativ frei. Auffallend ist die ständige Wiederholung des sinnfreien Refrains „Oh kaleika, leika, leika – Oh kaleikalé – Oh kaleika, leika, leika – piddljué–éeeeeh!“, die den Orientalismus noch weiter in den Vordergrund rückt und auf die Reduzierung fremder Kulturen auf stereotype Elemente hindeutet.
Darüber hinaus enthält das Gedicht eine feine Ironie, die sich gegen die simplifizierte Darstellung des „Orients“ und gegen die westliche Nachahmung exotischer Kulturpraktiken richtet. Gleichzeitig kann es als Kommentar auf die damalige Ethnografie gelesen werden, die oft kulturfremde Bräuche aufzeichnete und sie für das westliche Publikum aufbereitete - nicht immer mit dem nötigen Respekt und Verständnis für die kulturelle Vielfalt.
Das Gedicht kann daher als eine scharfsinnige und humorvolle Kritik an der Westlichen Betrachtungsweise des Orients verstanden werden, die diesen oft auf exotische Klischees reduziert.
Weitere Informationen
Kurt Tucholsky ist der Autor des Gedichtes „Persisch“. 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. 1919 ist das Gedicht entstanden. Charlottenburg ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zugeordnet werden. Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Die wichtigsten geschichtlichen Einflüsse auf die Literatur der Weimarer Republik waren der Erste Weltkrieg, der von 1914 bis 1918 andauerte, und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik. Neue Sachlichkeit ist eine Richtung der Literatur der Weimarer Republik. In den ihr zugerechneten Werken ist die zwischen den Weltkriegen hervortretende Tendenz zu illusionslos-nüchterner Darstellung von Gesellschaft, Erotik, Technik und Weltwirtschaftskrise deutlich erkennbar. Dies kann man als Reaktion auf den literarischen Expressionismus werten. Die Dichter orientierten sich an der Realität. Die Handlung wurde meist nur kühl und distanziert beobachtet. Man schrieb ein Minimum an Sprache, dafür hatte diese ein Maximum an Bedeutung. Es sollten so viele Menschen wie möglich mit den Texten erreicht werden, deshalb wurde eine einfache sowie nüchterne Alltagssprache verwendet. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.
Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht in der Fremde suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk in ihrer Heimat bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist religiöse oder politische Gründe den Ausschlag. Die deutsche Exilliteratur entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen den Nationalsozialismus sind typisch für diese Literaturepoche. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Literaturepoche geboren wurden. Das epische Theater von Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Radioreden oder Flugblätter der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten zu erwähnen. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.
Das 95 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 25 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Der Dichter Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „An einen garnisondienstfähigen Dichter“, „An ihren Papa“ und „Apage, Josephine, apage–!“. Zum Autor des Gedichtes „Persisch“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.
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