Ophelia von Georg Heym
1 |
Im Haar ein Nest von jungen Wasserratten, |
2 |
Und die beringten Hände auf der Flut |
3 |
Wie Flossen, also treibt sie durch den Schatten |
4 |
Des großen Urwalds, der im Wasser ruht. |
|
|
5 |
Die letzte Sonne, die im Dunkel irrt, |
6 |
Versenkt sich tief in ihres Hirnes Schrein. |
7 |
Warum sie starb? Warum sie so allein |
8 |
Im Wasser treibt, das Farn und Kraut verwirrt? |
|
|
9 |
Im dichten Röhricht steht der Wind. Er scheucht |
10 |
Wie eine Hand die Fledermäuse auf. |
11 |
Mit dunklem Fittich, von dem Wasser feucht |
12 |
Stehn sie wie Rauch im dunklen Wasserlauf, |
|
|
13 |
Wie Nachtgewölk. Ein langer, weißer Aal |
14 |
Schlüpft über ihre Brust. Ein Glühwurm scheint |
15 |
Auf ihrer Stirn. Und eine Weide weint |
16 |
Das Laub auf sie und ihre stumme Qual. |
|
|
17 |
II. |
18 |
Korn. Saaten. Und des Mittags roter Schweiß. |
19 |
Der Felder gelbe Winde schlafen still. |
20 |
Sie kommt, ein Vogel, der entschlafen will. |
21 |
Der Schwäne Fittich überdacht sie weiß. |
|
|
22 |
Die blauen Lider schatten sanft herab. |
23 |
Und bei der Sensen blanken Melodien |
24 |
Träumt sie von eines Kusses Karmoisin |
25 |
Den ewigen Traum in ihrem ewigen Grab. |
|
|
26 |
Vorbei, vorbei. Wo an das Ufer dröhnt |
27 |
Der Schall der Städte. Wo durch Dämme zwingt |
28 |
Der weiße Strom. Der Widerhall erklingt |
29 |
Mit weitem Echo. Wo herunter tönt |
|
|
30 |
Hall voller Straßen. Glocken und Geläut. |
31 |
Maschinenkreischen. Kampf. Wo westlich droht |
32 |
In blinde Scheiben dumpfes Abendrot, |
33 |
In dem ein Kran mit Riesenarmen dräut, |
|
|
34 |
Mit schwarzer Stirn, ein mächtiger Tyrann, |
35 |
Ein Moloch, drum die schwarzen Knechte knien. |
36 |
Last schwerer Brücken, die darüber ziehn |
37 |
Wie Ketten auf dem Strom, und harter Bann. |
|
|
38 |
Unsichtbar schwimmt sie in der Flut Geleit. |
39 |
Doch wo sie treibt, jagt weit den Menschenschwarm |
40 |
Mit großem Fittich auf ein dunkler Harm, |
41 |
Der schattet über beide Ufer breit. |
|
|
42 |
Vorbei, vorbei. Da sich dem Dunkel weiht |
43 |
Der westlich hohe Tag des Sommers spät, |
44 |
Wo in dem Dunkelgrün der Wiesen steht |
45 |
Des fernen Abends zarte Müdigkeit. |
|
|
46 |
Der Strom trägt weit sie fort, die untertaucht, |
47 |
Durch manchen Winters trauervollen Port. |
48 |
Die Zeit hinab. Durch Ewigkeiten fort, |
49 |
Davon der Horizont wie Feuer raucht. |
Details zum Gedicht „Ophelia“
Georg Heym
12
49
322
1911
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Ophelia“ des Autors Georg Heym. 1887 wurde Heym in Hirschberg geboren. Im Jahr 1911 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Expressionismus zugeordnet werden. Heym ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 322 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 49 Versen. Die Gedichte „Der Blinde“, „Der Fliegende Holländer“ und „Der Gott der Stadt“ sind weitere Werke des Autors Georg Heym. Zum Autor des Gedichtes „Ophelia“ haben wir auf abi-pur.de weitere 75 Gedichte veröffentlicht.
+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Das Video mit dem Titel „Georg Heym Ophelia“ wurde auf YouTube veröffentlicht. Unter Umständen sind 2 Klicks auf den Play-Button erforderlich um das Video zu starten.
Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Georg Heym
Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Georg Heym und seinem Gedicht „Ophelia“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.
- Heym, Georg - Der Gott der Stadt (Interpretation)
- Heym, Georg - Die Stadt (Gedichtinterpretation)
- Heym, Georg - Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen (Interpretation)
- Heym, Georg - Berlin (Gedichtinterpretation)
- Heym, Georg - Der Krieg
Weitere Gedichte des Autors Georg Heym (Infos zum Autor)
- April
- Berlin I
- Berlin II
- Berlin III
- Bist Du nun tot?
- Columbus
- Das Fieberspital
- Der Abend
- Der Baum
- Der Blinde
Zum Autor Georg Heym sind auf abi-pur.de 75 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt