Offener Antrag auf der Straße von Joachim Ringelnatz

Ich habe einen Frisiersalon.
Komm mit. Dort wollen wir knutschen.
Ich wollte, ich wäre ein Malzbonbon
Und du, du würdest mich lutschen.
 
Wir geben dem Lehrbub den Nachmittag frei
Und schreiben „Geschlossen bis sieben“.
Ich habe Rotwein im Laden und drei
Dicke Roßhaarsäcke zum Lieben.
 
Ich werde dich unentgeltlich frisiern
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Und dir die Nägel beschneiden.
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Du brauchst dich gar nicht vor mir geniern,
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Denn ich mag dicke Fraun leiden.
 
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Ich habe auch Schwarzbrot und Butter und Quark
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Und außerdem einen großen – –
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Donnerwetter sind deine Muskeln stark!
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Du, zeig mal: was hast du für Hosen?
 
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Wenn du dann fortgehst, bedanke dich nicht,
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Sondern halt es mit meinem Freund Franke.
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Der sagt immer, wenn man vom lieben Gott spricht:
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„Wem’s gut geht, der sagt nicht danke.“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Offener Antrag auf der Straße“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
125
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist der deutsche Schriftsteller Joachim Ringelnatz. Geboren im Jahr 1883, lässt sich Ringelnatz in die Epoche der Literatur der Weimarer Republik einordnen, einem Zeitraum zwischen den beiden Weltkriegen, der für seine kulturelle Vielfalt und Experimentierfreudigkeit bekannt ist. Seine Werke weisen oft ein augenzwinkerndes Spiel mit Sprache und Normen auf.

Auf den ersten Blick scheint dieses Gedicht humorvoll und leicht provokativ zu sein. Es zeigt das lyrische Ich, das mit direkter und unkonventioneller Sprache eine ungewöhnliche Einladung oder einen 'offenen Antrag' ausspricht.

Im Gedicht drückt das lyrische Ich seine offene und einladende Einstellung aus. Es stellt eine Reihe von Angeboten und Einladungen aus dem Kontext eines Friseursalons dar. Das lyrische Ich möchte mit der angesprochenen Person knutschen, ihr einen entspannten Nachmittag bieten und ihre Nägel schneiden. Zugleich werden jugendliche Neugierde und Ungezwungenheit zum Ausdruck gebracht, die sich in der abenteuerlustigen und spielerischen Haltung des lyrischen Ichs niederschlagen.

Sprachlich ist das Gedicht direkt und bildhaft. Es geht scheinbar munter von Thema zu Thema und reiht mehrere Bildbereiche aneinander: Vom Friseurgeschäft über das physische Begehren bis hin zur Lebensphilosophie. Einerseits ist die Sprache verspielt und humorvoll, andererseits wirkt sie ernst und satirisch.

Formal folgt das Gedicht einem klaren Muster. Es besteht aus fünf Strophen mit jeweils vier Versen. Diese strikte Form wirkt kontrastierend zum eigentlichen Inhalt des Gedichts, der sich an keiner strengen Ordnung oder Norm festhält. Dieser Kontrast könnte eine ironische Aussage über die starre Gesellschaft und Normen sein, gegen die das lyrische Ich rebelliert.

Aufgrund seiner Direktheit, seinem humorvollen Umgang mit ernsten Themen und seinem unkonventionellen Ansatz ist dieses Gedicht ein typisches Werk von Joachim Ringelnatz. Es zeigt seine Vorliebe für das Spiel mit Sprache und Normen, und es spiegelt die lockere und offene Einstellung dieser literarischen Epoche wider.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Offener Antrag auf der Straße“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Geboren wurde Ringelnatz im Jahr 1883 in Wurzen. Das Gedicht ist im Jahr 1929 entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Moderne oder Expressionismus zu. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 125 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Die Gedichte „Abschiedsworte an Pellka“, „Afrikanisches Duell“ und „Alone“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „Offener Antrag auf der Straße“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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