O Welt in einem Ei von Joachim Ringelnatz

O Welt im Ei, von Haut
Und Schale rings umgeben!
Wenn dich die Sonne schaut,
Beginnt dein freieres Leben.
 
Dann lebst du, wie dein Ahne will,
Als Strauß, als Fisch, als Krokodil,
Als Huhn ein Mehrerwachen,
Ein größeres Glück und größere Qual
In einem weiteren Oval.
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Bis neue Schalen krachen.
 
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O Welt in einem Ei,
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Wie Wichtiges entscheidet sich,
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Geht deine Wand entzwei.
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Vielleicht verschlingt man, kocht man dich,
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Ißt dich mit Senf, mit Kaviar
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(Störs ungezählten Eiern!).
 
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Und wenn sie Ostern feiern,
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Die dich verschlucken roh und gar,
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Dann lachen sie und spaßen
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a conto Osterhasen.
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Doch wer von ihnen denkt dabei
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An dich, du Mikrowelt in einem Ei?!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „O Welt in einem Ei“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
22
Anzahl Wörter
110
Entstehungsjahr
1934
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „O Welt in einem Ei“ stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Autor und Kabarettisten, der von 1883 bis 1934 lebte. Sein Werk fällt in die Zeit der Weimarer Republik, einer Periode großer kultureller und gesellschaftlicher Veränderungen in Deutschland.

Auf den ersten Blick nimmt der Leser ein einfaches Gedicht mit einer ebenso schlichten Struktur wahr, doch schnell erkennt man, dass es ein hohes Maß an Symbolik und metaphorischen Bildern enthält. Mit dem Bild eines Eies als Welt setzt Ringelnatz ein universelles Symbol für Wachstum, Entwicklung und Veränderung ein.

Das lyrische Ich spricht die symbolische „Welt im Ei“ direkt an, beleuchtet ihr Eingeschlossensein und erinnert daran, dass sie von einer Schale umgeben ist. Sie bekommt erst dann die Chance auf ein freieres Leben, wenn die „Sonne“, ein weiteres Symbol für Licht und Leben, auf sie scheint. In der zweiten Strophe wird der Entwicklungsprozess innerhalb des Eies dargestellt. Das lyrische Ich scheint auszudrücken, dass das Leben im Ei, entsprechend dem Willen der Ahnen, unterschiedliche Formen annehmen kann und dieses Leben, obwohl eingegrenzt durch die Schale, sowohl Glück als auch Qual erleben kann.

Im weiteren Verlauf des Gedichts, suggeriert Ringelnatz, dass die Welt im Ei, trotz ihrer Bedeutung, mit Brutalität konfrontiert wird, bei deren Konsum keiner auf den Inhalt und die Bedeutung des Eies achtet. Es scheint eine Kritik an der Gleichgültigkeit und Respektlosigkeit gegenüber der Natur und dem Leben selbst zu sein.

Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl. Die Sprache ist schlicht und zugänglich. Es gab keine festen Reimstrukturen oder Metren, was den fließenden und reflektierenden Charakter des Gedichts unterstützt. Die Verwendung von Alltagssprache und Alltagsgegenständen wie Eier, Senf und Ostern, verbunden mit humorvollen Anspielungen, lassen den Leser leicht mit den abstrakten Gedanken des Gedichts umgehen und das Thema des Gedichts, die Beziehung zwischen Mensch und Natur, ohne viel Aufhebens ergründen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „O Welt in einem Ei“ ist Joachim Ringelnatz. Ringelnatz wurde im Jahr 1883 in Wurzen geboren. 1934 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 110 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 22 Versen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „...als eine Reihe von guten Tagen“, „7. August 1929“ und „Abendgebet einer erkälteten Negerin“. Zum Autor des Gedichtes „O Welt in einem Ei“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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