Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen von Wilhelm Busch

Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen,
In milder Luft die weißen Wolken ziehen,
Denk ich mit Wehmut deiner Lieb und Güte,
Du süßes Mädchen, das so früh verblühte.
Du liebtest nicht der Feste Lärm und Gaffen,
Erwähltest dir daheim ein stilles Schaffen,
Die Sorge und Geduld, das Dienen, Geben,
Ein innigliches Nurfürandreleben.
So teiltest du in deines Vaters Haus
10 
Den Himmelsfrieden deiner Seele aus.
11 
Bald aber kamen schwere, schwere Zeiten.
12 
Wir mußten dir die Lagerstatt bereiten;
13 
Wir sahn, wie deine lieben Wangen bleichten,
14 
Sahn deiner Augen wundersames Leuchten;
15 
Wir weinten in der Stille, denn wir wußten,
16 
Daß wir nun bald auf ewig scheiden mußten.
17 
Du klagtest nicht. Voll Milde und Erbarmen
18 
Gedachtest du der bittern Not der Armen,
19 
Gabst ihnen deine ganze kleine Habe
20 
Und seufztest tief, daß so gering die Gabe.
21 
Es war die letzte Nacht und nah das Ende;
22 
Wir küßten dir die zarten weißen Hände;
23 
Du sprachst, lebt wohl, in deiner stillen Weise,
24 
Und: oh, die schönen Blumen! riefst du leise.
25 
Dann war‘s vorbei. Die großen Augensterne,
26 
Weit, unbeweglich, starrten in die Ferne,
27 
Indes um deine Lippen, halbgeschlossen,
28 
Ein kindlichernstes Lächeln ausgegossen.
29 
So lagst du da, als hättest du entzückt
30 
Und staunend eine neue Welt erblickt.
31 
Wo bist du nun, du süßes Kind, geblieben?
32 
Bist du ein Bild im Denken deiner Lieben?
33 
Hast du die weißen Schwingen ausgebreitet
34 
Und zogst hinauf von Engelshand geleitet
35 
Zu jener Gottesstadt im Paradiese,
36 
Wo auf der heiligstillen Blütenwiese
37 
Fernher in feierlichem Zug die Frommen
38 
Anbetend zu dem Bild des Lammes kommen?
39 
Wo du auch seist; im Herzen bleibst du mein.
40 
Was Gutes in mir lebt, dein ist‘s allein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
269
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht stammt von dem bekannten Dichter und Künstler Wilhelm Busch, der im 19. Jahrhundert lebte und arbeitete. Am bekanntesten ist er für seine humoristischen und satirischen Zeichnungen und Reime, doch dieses Gedicht zeigt eine ernste, melancholische Seite seiner literarischen Begabung.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt die nostalgische und traurige Stimmung auf, die von der Erinnerung an eine geliebte Person geprägt ist, die zu früh gestorben ist. Gleichzeitig ist in der Trauer auch eine bewundernde Wertschätzung für die Charakterstärke und Güte der verstorbenen Person zu spüren.

Inhaltlich kommuniziert das lyrische Ich den Schmerz und die Wehmut, die es in Erinnerung an eine junge Frau empfindet, die anscheinend viel zu früh verstorben ist. Es hebt ihre Liebe zur Stille und ihr selbstloses Engagement für andere hervor. Die verstorbene Frau hat nicht gelebt, um Aufmerksamkeit oder Anerkennung zu suchen, sondern um anderen in Liebe und Geduld zu dienen. Das lyrische Ich berichtet weiter von ihrem Krankheitsverlauf, ihrem letzten großherzigen Akt der Nächstenliebe, ihrer stillen Verabschiedung vom Leben und ihrem Tod. Im letzten Teil des Gedichts spekuliert das lyrische Ich, wo die geliebte verstorbene Person nun ist, und betont, dass sie immer in seinem Herzen und seinen guten Taten präsent sein wird.

Formal folgt das Gedicht keinem festen Reimschema und die Verslänge variiert. Es ist in freien Versen geschrieben, was für die Lyrik des 19. Jahrhunderts eher untypisch ist und es von vielen anderen poetischen Texten dieser Zeit unterscheidet. Die Sprache des Gedichts ist eher einfach und verzichtet auf trockenes, akademisches Vokabular.

Die aufgerufenen Naturbilder und die Frage nach dem Verbleib der geliebten Person nach dem Tod verweisen auf die religiöse und philosophische Dimension des Gedichts. Verknüpft mit der persönlichen Trauer wird auch die Frage nach dem Sinn von Leiden und Sterben und die Sehnsucht nach einer jenseitigen Existenz angesprochen.

Abschließend lässt sich sagen, das Gedicht „Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen“ von Wilhelm Busch ist ein tief berührender und eindrücklicher Text, der die von Liebe und Trauer geprägten Gefühle des lyrischen Ichs in respektvoll-reverentieller Weise zum Ausdruck bringt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen“ des Autors Wilhelm Busch. Busch wurde im Jahr 1832 in Wiedensahl geboren. Im Zeitraum zwischen 1848 und 1908 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Wiesbaden u. Berlin. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das vorliegende Gedicht umfasst 269 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 40 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Wilhelm Busch sind „Befriedigt“, „Beiderseits“ und „Beschränkt“. Zum Autor des Gedichtes „Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 208 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Wilhelm Busch

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Wilhelm Busch und seinem Gedicht „Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Wilhelm Busch (Infos zum Autor)

Zum Autor Wilhelm Busch sind auf abi-pur.de 208 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.