Noch eine Frage von Johann Peter Hebel

Und weisch denn selber au, du liebi Seel,
worum de dine zarte Chinde d’Freud
in so ne stachlig Bäumli ine henksch,
Wil’s grüeni Blättli het im Winter, meinsch,
und spitzi Dörn, aß ’s Büebli nit, wie’s will,
die schöne Sachen use höckle cha.
’s wär nit gar übel gfehlt, doch weischs nit recht.
Denk wohl, i sag ders, und i freu mi druf.
 
Lueg, liebi Seel, vom Menschelebe soll
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der dornig Freundebaum en Abbild sy.
 
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Nooch bi nenander wohne Leid und Freund,
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und was der ’s Lebe süeß und liebli macht,
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und was no schöner in der Ferni schwebt,
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de freusch di druf, doch in de Dörne hangts.
 
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Was denksch derzue? Zuem Erste sagi so:
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Wenn Wermeth in di Freudebecher fließt
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und wenn e scharfe Schmerz dur’s Lebe zuckt,
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verschrick nit drab, und stell di nit so fremd!
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Di eigni Muetter selig, tröst sie Gott!
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sie het ders Zeichen in der Chindheit ge.
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Drum denk: „Es isch e Wienechtchindli-Baum,
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nooch bi nenander wohne Freud und Leid.“
 
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Zuem Zweite sagi das: Es wär nit guet,
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wenns anderst wär. Was us de Dorne luegt,
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sieht gar viel gattiger und schöner us,
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und ’s fürnehmst isch, me het au länger dra.
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’s wär iust, as wemme Zuckerbrod und Nuß,
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und was am Bäumli schön und glitzrig hangt,
 
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uf eimol in e Suppeschüßli thät,
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und stellti’s umme: „Iß, so lang de magsch,
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„und näumis do isch!“ Wärs nit Uhverstand?
 
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Zum Dritte sagi: Wemmen in der Welt
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will Freude hasche, Vorsicht ghört derzue;
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sust lengt me bald in d’Aglen und in Dörn,
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und zieht e Hand voll Stich und Schrunde z’ruck.
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Denn d’Freud hangt in de Dorne. Denk mer dra,
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und thue ne wenig gmach! Doch wenn de’s hesch,
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se loß ders schmecke! Gunn ders Gott der Her!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Noch eine Frage“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
38
Anzahl Wörter
302
Entstehungsjahr
nach 1776
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Noch eine Frage“ ist aus der Feder von Johann Peter Hebel, einem deutschen Schriftsteller, der von 1760 bis 1826 lebte. Mit der interpretierenden Analyse beginnend, erzeugt das Gedicht beim ersten Lesen einen eher introspektiven und reflexiven Eindruck. Es scheint sich um eine Art Lehrgedicht zu handeln, in dem das lyrische Ich eine unterrichtende Perspektive einnimmt und dem Leser verschiedene Ratschläge oder Lebensweisheiten zu vermitteln versucht.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht den schwierigen und oft schmerzhaften Prozess des Lebens und des Erwachsenwerdens. Der Dornenbaum, ein zentraler Vergleich, der im Gedicht verwendet wird, repräsentiert das Leben mit all seinen Freuden (die schönen Sachen am Baum) und Leiden (die Dornen). Dieser Dornenbaum ist für das lyrische Ich ein Abbild des menschlichen Lebens (Vers 10), wo Freude und Leid, wie die Grünen Blätter und spitzen Dornen, nebeneinander existieren.

Die Botschaft des lyrischen Ichs scheint zu sein, dass man das Leben in all seinen Facetten annehmen muss und dass Leiden und Schwierigkeiten Teil des Lebens sind, die nicht gemieden oder gefürchtet werden sollten. Darüber hinaus gibt das lyrische Ich den Rat, vorsichtig bei der Suche nach Freude zu sein, da diese oft von Dornen (Schwierigkeiten und Leid) umgeben ist (Verse 32-38).

Was die Form und Sprache des Gedichts betrifft, so besteht es aus mehreren Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl und ist in einem regionalen Dialekt verfasst, was dem Gedicht eine besondere Tonalität und Authentizität verleiht. Es scheint keine festgelegte Reimstruktur zu geben, was einen eher ernsthaften und kontemplativen Tonfall unterstützt. Unter Verwendung alltäglicher und konkreter Bilder, wie dem Dornenbaum und dem Zuckerbrot, macht Hebel abstrakte Konzepte wie Freude, Leid und Lebenserfahrung zugänglich und verständlich.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Noch eine Frage“ ist Johann Peter Hebel. 1760 wurde Hebel in Basel geboren. Im Zeitraum zwischen 1776 und 1826 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Karlsruhe. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 302 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 38 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere Werke des Dichters Johann Peter Hebel sind „Agatha, an der Bahre des Pathen“, „An Herrn Geheimerath v. Ittner“ und „Auf den Tod eines Zechers“. Zum Autor des Gedichtes „Noch eine Frage“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 60 Gedichte vor.

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