Nicht! Noch nicht! von Kurt Tucholsky

Ein leichter Suff umnebelt die Gedanken.
Verdammt! Der Frühling kommt zu früh.
Der Parapluie
steht tief im Schrank – die Zeitbegriffe schwanken.
 
Was wehen jetzt die warmen Frühlingslüfte?
Ein lauer Wind umsäuselt still
mich im April –
die Nase schnuppert ungewohnte Düfte.
 
Du lieber Gott, da ist doch nichts dahinter!
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Und wie ein dicker Bär sich murrend schleckt,
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zu früh geweckt,
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so zieh ich mich zurück und träume Winter.
 
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Ich bin zu schwach. Ich will am Ofen hocken –
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die Animalität ist noch nicht wach.
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Ich bin zu schwach.
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Laternenschimmer will ich, trübe Dämmerung und dichte Flocken.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Nicht! Noch nicht!“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
94
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nicht! Noch nicht!“ wurde von Kurt Tucholsky geschrieben, einem deutschen Schriftsteller und Journalisten, der von 1890 bis 1935 lebte. Tucholsky gilt als wichtiges Sprachrohr der Weimarer Republik und das Gedicht lässt sich somit in die Zeit der frühen 1930er Jahre einordnen.

Auf ersten Blick scheint das Gedicht eine Atmosphäre von Uneinigkeit und Widerwillen gegenüber dem Wandel zu versprühen. Es thematisiert den konträren Widerstand des lyrischen Ichs gegen den Frühlingsanfang.

Das lyrische Ich beschreibt zunächst einen Zustand des leicht berauscht seins, und äußert sofort Missfallen an der früh einsetzenden Jahreszeit. Es scheint unvorbereitet und unfähig, sich an den Frühling anzupassen. In der zweiten Strophe spricht es mit einer gewissen Bedauerlichkeit über die warme Frühlingsbrise, die es umgibt. Es wirkt überwältigt vom raschen Wechsel. Im dritten und vierten Vers nimmt das lyrische Ich einen widerständigen Ton an und beschreibt sich selbst, wie es sich in den Winterträumen zurückzieht und sich nach der Dunkelheit und Kälte sehnt.

In Bezug auf die Form besteht das Gedicht aus vier Strophen à vier Verse. Die Sprache ist umgangssprachlich und leicht verständlich. Tucholsky nutzt einfache Wörter und klare Bilder, es entsteht eine leicht melancholische Stimmung gepaart mit einem zarten Humor. Er benutzt Vergleiche, wie „wie ein dicker Bär“ und Metaphern wie „träume Winter“ um das Gefühl des lyrischen Ichs darzustellen.

Zusammenfassend ist „Nicht! Noch nicht!“ ein Gedicht, das den Widerstand gegen Veränderungen zum Ausdruck bringt, gewürzt mit einer Prise Humor und leiser Sehnsucht nach dem Vergangenen. Es stellt das Unbehagen und die Sehnsucht des lyrischen Ichs dar, sich an das Unvermeidliche anzupassen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Nicht! Noch nicht!“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Kurt Tucholsky. Geboren wurde Tucholsky im Jahr 1890 in Berlin. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1919. Der Erscheinungsort ist Charlottenburg. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Bei dem Schriftsteller Tucholsky handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Republik hatten erheblichen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Neue Sachlichkeit ist eine Richtung der Literatur der Weimarer Republik. In den ihr zugerechneten Werken ist die zwischen den Weltkriegen hervortretende Tendenz zu illusionslos-nüchterner Darstellung von Gesellschaft, Erotik, Technik und Weltwirtschaftskrise deutlich erkennbar. Dies kann man als Reaktion auf den literarischen Expressionismus werten. Die Dichter orientierten sich an der Realität. Die Handlung wurde meist nur kühl und distanziert beobachtet. Man schrieb ein Minimum an Sprache, dafür hatte diese ein Maximum an Bedeutung. Es sollten so viele Menschen wie möglich mit den Texten erreicht werden, deshalb wurde eine einfache sowie nüchterne Alltagssprache verwendet. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. In der Praxis wurde dieses Gesetz allerdings nur gegen linke Autoren angewandt. Aber gerade die rechts gerichteten Schriftsteller waren es häufig, die in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Die Grenzen der Zensur wurden im Jahr 1926 durch das sogenannte Schund- und Schmutzgesetz nochmals verstärkt. Die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen wurden durch die Pressenotverordnung im Jahr 1931 ermöglicht.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Autoren ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung im Jahr 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. In Folge dessen flohen viele Schriftsteller aus Deutschland. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen den Nationalsozialismus sind typisch für diese Literaturepoche. Spezielle formale Merkmale weist die Exilliteratur nicht auf. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Literaturepoche geboren wurden. Das epische Theater von Bertolt Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Radioreden oder Flugblätter der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten erwähnenswert. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 94 Worte. Die Gedichte „An die Meinige“, „An einen garnisondienstfähigen Dichter“ und „An ihren Papa“ sind weitere Werke des Autors Kurt Tucholsky. Zum Autor des Gedichtes „Nicht! Noch nicht!“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 136 Gedichte vor.

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