An eine Sängerin von Paul Haller

Steh! Weile! Blick in meine Seele herüber!
Frage mich, frage: Was ist dein Gesang?
Ich will’s dir sagen, du Fernhergekommne,
Die vor sich selbst, wie ein Kind vor der Blume,
Zitternd steht und des Rätsels nicht klug wird.
 
Dein Gesang ist der Stern, den die Forscher nicht fanden,
Weil er aufstrahlt zwischen den Grenzen der Tage
Und zwischen den Räumen, die Nachbar sich grüßen.
Dort glänzt er den Blinden, ein Wundergestirn.
 
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Wem Gott gab, ohne Augen zu sehen,
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Hebt, erst geblendet, sein Haupt schon kühner,
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Staunt froh erwacht in funkelnde Helle,
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Fühlt heißerschrocken, zum Himmelsscheitel
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Emporgerissen, sich selbst schon brennen
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Von reinen Gluten. Herüber, hinüber
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In klingendem Wettwurf ein Lanzengeflimmer,
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Tausch goldener Strahlen. Er selbst ward zum Stern.
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Verwesliche Tiefe ruht dunkel. Dort oben
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Glüht, trunken am ewigen Quell, die Gemeinschaft.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „An eine Sängerin“

Autor
Paul Haller
Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
19
Anzahl Wörter
132
Entstehungsjahr
nach 1898
Epoche
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „An eine Sängerin“ ist Paul Haller, ein Schweizer Schriftsteller und Dichter, der von 1882 bis 1920 lebte. Daher kann das Gedicht in die zeitliche Epoche des beginnenden 20. Jahrhunderts eingeordnet werden, welche von einer Vielfalt literarischer Strömungen und Stile gekennzeichnet ist.

Bei der ersten Lektüre des Gedichts fällt die dynamische und leidenschaftliche Sprache auf. Es ist deutlich, dass der Dichter starke Gefühle ausdrücken möchte.

Das Gedicht ist ein Dialog oder eher eine Aufforderung des lyrischen Ichs an eine Sängerin, ihren Gesang zu verstehen. Die Sängerin wird als eine Fremde beschrieben, die die Fähigkeit hat, starke Emotionen zu wecken. Der Gesang der Sängerin wird als niemals vollständig verstanden und unerreichbar dargestellt, vergleichbar mit einem Stern, den noch niemand erforscht hat. Des Weiteren wird der Gesang als ein Mittel zur Erleuchtung und spirituellen Erhebung dargestellt.

Im Detail versucht das lyrische Ich, den Gesang der Sängerin zu charakterisieren und seine Wirkung zu beschreiben: er ist wie ein unentdeckter Stern, ein „Wundergestirn“, das den Blinden leuchtet und den Erwachten, der ohne Sehen wahrnehmen kann, erhebt. Der Gesang erweckt ein intensives, brennendes Gefühl „von reinen Gluten“, erzeugt ein „klingendes Wettwerf“ und „tausch goldener Strahlen“, lässt das lyrische Ich zum Stern werden und verbindet ihn mit einer „trunkenen“, ewigen Gemeinschaft.

Das Gedicht hat eine lyrische Form, die sich durch unregelmäßige Strophen und eine auffallend freie Versform auszeichnet. Die Sprache ist reich und bildhaft mit Metaphern und symbolischen Ausdrücken, die das Unergründliche und Mystische des Gesangs, sowie die transformative Wirkung hervorheben. Zudem greift Haller auf den in der Lyrik weit verbreiteten Vergleich des Künstlers mit körperloser, kosmischer Energie, hier dem „Stern“, zurück.

Insgesamt ist „An eine Sängerin“ ein eindringliches und emotionales Gedicht, das die transformative Macht der Musik und den tiefen, emotionalen Einfluss, den sie auf den Hörer haben kann, hervorhebt. Es feiert die Kunst und ihre Fähigkeit, menschliche Erfahrungen und Emotionen zu beleuchten.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An eine Sängerin“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Paul Haller. 1882 wurde Haller in Rein bei Brugg geboren. In der Zeit von 1898 bis 1920 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Aarau. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Naturalismus zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Haller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 19 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 132 Worte. Weitere Werke des Dichters Paul Haller sind „Abseits (Haller)“, „Adie Wält“ und „An die Mutter“. Zum Autor des Gedichtes „An eine Sängerin“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 65 Gedichte vor.

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