Nachtgalle von Joachim Ringelnatz

Weil meine beiden Beine
Erfolglos müde sind,
Und weil ich gerade einsam bin,
Wie ein hausierendes Streichholzkind,
Setz ich mich in die Anlagen hin
Und weine.
 
Nun hab ich lange geweint.
Es wird schon Nacht; und mir scheint,
Der liebe Gott sei beschäftigt.
10 
Und das Leben ist – – alles, was es nur gibt:
11 
Wahn, Krautsalat, Kampf oder Seife.
12 
Ich erhebe mich leidlich gekräftigt.
13 
Ich weiß eine Zeitungsfrau, die mich liebt.
14 
Und ich pfeife.
 
15 
Ein querendes Auto tutet. –
16 
Nicht Gold noch Stein waren echt
17 
An dem Ring, den ich gestern gefunden. –
18 
Die nächtliche Straße blutet
19 
Aus tausend Wunden.
20 
Und das ist so recht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Nachtgalle“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
101
Entstehungsjahr
1923
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nachtgalle“ stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Künstler, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte. Ringelnatz ist bekannt für seine humorvollen und oftmals sarkastischen Werke.

Beim ersten Eindruck wirkt das Gedicht recht melancholisch und bedrückt. Es scheint, als ob das lyrische Ich in einer Phase der Niedergeschlagenheit und Entmutigung steckt. Es ist erschöpft, fühlt sich einsam und sieht das Leben eher negativ.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich seine momentane Situation - körperliche Erschöpfung und emotionale Einsamkeit. Gleichzeitig zeichnet es seine Wahrnehmung und Reflexion des Lebens per se. Das Leben scheint wenig erfreulich zu sein, geprägt von Wahn, Kämpfen und Trivialitäten wie „Krautsalat“ oder „Seife“. Dennoch gibt es kleine Lichtblicke – die Liebe einer kleinen Zeitungsfrau und die Stärke, sich trotz der Tränen wieder aufrichten zu können. Dies deutet auf die Ambivalenz des Lebens hin, die Mischung aus Glück und Leid.

In Bezug auf Stil und Form fällt auf, dass das Gedicht aus drei Strophen mit unterschiedlicher Verszahl besteht. Es gibt keine einheitliche Reimform, was die Unregelmäßigkeiten und Unvorhersehbarkeiten des Lebens symbolisieren könnte. Die Sprache ist einfach und alltagsnah; typische Elemente des Humors, den Ringelnatz in seinen Werken oft nutzt, fehlen allerdings eher.

Alles in allem lässt sich sagen, dass „Nachtgalle“ einen Einblick in die Gedanken und Gefühle einer Person in einer Krisensituation gibt. Das Gedicht unterstreicht die Herausforderungen des Lebens, zeigt aber auch, dass es immer irgendeine Form des Lichts in der Dunkelheit gibt. Es ist ein Gedicht, das die Widerstandsfähigkeit des Menschen trotzt Trostlosigkeit hervorhebt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Nachtgalle“ ist Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Im Jahr 1923 ist das Gedicht entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 101 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „...als eine Reihe von guten Tagen“, „7. August 1929“ und „Abendgebet einer erkälteten Negerin“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Nachtgalle“ weitere 560 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Joachim Ringelnatz

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Joachim Ringelnatz und seinem Gedicht „Nachtgalle“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz (Infos zum Autor)

Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.