Nacht von Paul Haller

Mit stummen Glocken läutet
Die Nacht durchs müde Feld.
Mit weißen Fingern deutet
Der Mond auf die gestorbne Welt.
 
Mein Ohr hört eine Brandung
Die keinen Felsen hat,
Mein Auge sieht die Landung
Des Geisterschiffs an ferner Stadt.
 
Dort braust ein Jubelklingen
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Wie’s hier kein Ohr vernahm;
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Dort glänzt aus goldnen Ringen
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Ein Bildnis himmlisch, wundersam.
 
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Auf Tönen, stark und milde,
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Fliegt mein entrückter Sinn;
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Vor jenem klaren Bilde
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Neigt sich mein Leib in Demut hin.
 
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O Lebensstrand voll Freude,
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Wie ferne magst du sein!
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O selger Sehnsucht Weide,
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Wo leuchtet mir dein grüner Schein?
 
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Laß deiner Lust Gedröhne
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Mir fern herüber wehn,
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Und deines Bildes Schöne
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Im Traum vor meinen Pfaden stehn!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Nacht“

Autor
Paul Haller
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
114
Entstehungsjahr
nach 1898
Epoche
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nacht“ stammt von dem Schweizer Autor Paul Haller, der von 1882 bis 1920 lebte. Damit kann das Gedicht zeitlich dem Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert zugeordnet werden, einer Zeit in der vor allem der Symbolismus in der Literatur stark verbreitet war.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht melancholisch, geheimnisvoll und nachdenklich. Es befasst sich mit der Nacht, der sehnsüchtigen Wahrnehmung des lyrischen Ichs und dessen lebhafter Imagination von unerreichbaren Orten.

Mit „stummen Glocken“ und dem „müden Feld“ wird im ersten Vers eine ruhige, nachtvolle Atmosphäre dargestellt. Der Mond, der auf die „gestorbene Welt“ deutet, symbolisiert das Nachdenken und Trauern. Im zweiten Vers kündigt das „Geisterschiff“ das Eintreffen eines Ereignisses an.

In den darauf folgenden Strophen wird dann eine andere, ferne Welt illustriert, die durch „Jubelklingen“, „goldene Ringe“ und ein „himmlisch, wundersames“ Bildnis charakterisiert wird. Offenbar sehnt sich das lyrische Ich nach dieser Welt, das symbolisiert das „entrückter Sinn“ und das „Neigen des Leibs in Demut“.

Im weiteren Verlauf reflektiert das lyrische Ich die Ferne und Unerreichbarkeit dieser ersehnten Welt und erlaubt sich dennoch, in der Schönheit und der „lustvollen Gedröhne“ jener Welt zu schwelgen.

Das Gedicht besteht aus sechs vierzeiligen Strophen und folgt somit der Form eines Kreuzreims. Die Sprache des Gedichts ist bildhaft, vergleichend und geprägt von vagen, sehnsuchtsvollen Andeutungen. Die rhythmische Melodie und die suggestive Bildsprache erzeugen eine traumhafte, nachdenkliche Stimmung und verstärken den Eindruck einer teils melancholischen, teils sehnsüchtigen Selbstergründung des lyrischen Ichs in der Stille der Nacht.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Nacht“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Paul Haller. Der Autor Paul Haller wurde 1882 in Rein bei Brugg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1898 bis 1920 entstanden. Aarau ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Naturalismus zu. Bei Haller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 114 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Der Dichter Paul Haller ist auch der Autor für Gedichte wie „An eine Sängerin“, „Augen“ und „Bei Morcote“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Nacht“ weitere 65 Gedichte vor.

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