Nach geballten Enttäuschungen von Joachim Ringelnatz

1	Und nehmen sie die ganze Hand,
2	Wenn ich den kleinen Finger gebe.
3	Und Leute sind's von hohem Stand
4	Und wissen doch nicht, wie ich lebe.
5	Dann andre wieder, die mich nutzen
6	Und ziehen dreist aus mir Gewinn.
7	Wenn meine Einsicht schweigt, dann putzen
8	Sie das noch aus nach ihrem Sinn.
9	Ich fühle — weiß nicht — was ich weiß
10	Und mich gelüstets dreinzuschlagen
11	Auf dieses gierige Geschmeiß. —
12	Doch meine Treuesten versagen.
13	Es scheint mich alles zu verfluchen.
14	Als ich mich selbst verfluchen will,
15	Legt sich die See. — Ich wurde still,
16	Fand neu, was niemals ist zu suchen.

Details zum Gedicht „Nach geballten Enttäuschungen“

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nach geballten Enttäuschungen“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, der in der Zeit von 1883 bis 1934 lebte. Die Einordnung in die zeitliche Periode deutet auf die Moderne hin, was für die Gedichte von Ringelnatz spezifisch ist.

Erster Eindruck: Aus dem Titel geht hervor, dass das lyrische Ich heftige Enttäuschungen erlebt hat. Der Ton des Gedichts ist recht finster und deprimierend, was wohl die schwierigen Umstände und Emotionen des lyrischen Ichs widerspiegelt.

Inhalt: Im Grunde beschreibt dieses Gedicht die Beziehungen des lyrischen Ichs zu den Menschen um es herum. Das lyrische Ich fühlt sich ausgenutzt und enttäuscht. Es scheint zu implizieren, dass die Menschen in seinem Leben es nicht richtig verstehen und nur ihre eigenen Nutzen daraus ziehen. Dieser harte Blick auf seine Umgebung führt zu einem inneren Konflikt, einer gierigen Wut, aber auch einer tiefen Enttäuschung über das scheinbare Versagen seiner vertrauenswürdigen Freunde oder Verbündeten. In der letzten Strophe findet jedoch eine Art Wandel statt - das lyrische Ich erreicht eine Art innere Ruhe und Erkenntnis.

Form und Sprache: Formal ist das Gedicht in vier Strophen mit jeweils vier Versen organisiert. Die Sprache ist recht klar und direkt, mit starken Bildern und Ausdrücken, die die Emotionen des lyrischen Ichs widerspiegeln. Es gibt keine Reime, was vielleicht darauf hinweist, dass das lyrische Ich in einem Zustand ist, in dem es nicht die traditionellen Strukturen und Erwartungen erfüllt. Es verwendet auch einige metaphorische Sprache, wie das Bild der Hand, die genommen wird, wenn nur der kleine Finger angeboten wird, um die Art und Weise zu zeigen, wie es sich ausgenutzt fühlt. Der Ausdruck „gieriges Geschmeiß“ zeigt seine Verachtung für diese Menschen.

Zusammengefasst zeigt das Gedicht „Nach geballten Enttäuschungen“ von Joachim Ringelnatz die intensiven emotionalen Reaktionen des lyrischen Ichs auf die ausnutzenden Verhaltensweisen seiner Umgebung. Durch den Einsatz von bildhafter und direkter Sprache gelingt es Ringelnatz, eine starke Atmosphäre von Bitterkeit, Wut, Enttäuschung, aber schließlich auch Erkenntnis zu erzeugen.

Weitere Informationen

Joachim Ringelnatz ist der Autor des Gedichtes „Nach geballten Enttäuschungen“. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1932. Erschienen ist der Text in Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 95 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Afrikanisches Duell“, „Alone“ und „Alte Winkelmauer“. Zum Autor des Gedichtes „Nach geballten Enttäuschungen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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