Nach einem Jahre von Rudolf Lavant
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Den wir in langen, kampfbewegten Tagen, |
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Als sei er eingewiegt in tiefen Schlummer, |
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Halb unbewußt mit uns herumgetragen, |
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Heut ist er aufgewacht, der schwere Kummer. |
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Das Herz erwehrt vergebens sich des Bannes, |
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Dem Macht aufs neue über uns gegeben |
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Am Todestag des treuen, tapfern Mannes, |
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Der ein Soldat der Freiheit war im Leben. |
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Durch jedes Herz ging damals kühler Schauer, |
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Und mühsam unterdrückten wir das Weinen; |
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Tief, ehrlich, echt war unsres Volkes Trauer |
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Und seine Klage um der besten einen. |
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Doch erst allmählich konnte man erfassen, |
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Was in dem kühnen Manne wir verloren, |
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Den der gebietende Instinkt der Massen |
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Zum Führer sich von Anbeginn erkoren. |
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Und keine Zeit wird diesen Kummer lindern, |
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Den bei dem Tod des Tapfern wir erfahren. |
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Wir übertragen einst ihn unsern Kindern, |
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Und immer tiefer wird er mit den Jahren. |
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Ein Liebling seines Volks war Liebknecht immer, |
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Das staunend sah sein heldenhaftes Streiten, |
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Doch um sein Bild wird der Verklärung Schimmer |
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Erst nach und nach verschönend sich verbreiten. |
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So mancher füllt mit prahlendem Gepränge |
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Die Lebenstage, die ihm zugemessen; |
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An seinem Grab ist Jammern und Gedränge, |
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Doch nach drei Tagen schon ist er vergessen, |
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Und vor dem Denkmal, das sie ihm erbauen, |
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Wird keines Zeitgenossen Auge trüber; |
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Niemand verlangt danach, es anzuschauen, |
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Und kalt und fremd geht man an ihm vorüber. |
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Das Denkmal aber, das im Volksgemüte |
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Ein Mann, wie unser Toter, sich errichtet, |
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Braucht keines Wächters, der es ängstlich hüte, |
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Und mit Gewalt selbst wird es nicht vernichtet. |
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Ob es auch nicht in Gold und Marmor glänze, |
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Ob keine Meister man zum Bau berufen – |
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An jedem Morgen liegen frische Kränze |
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Aus Laub und Blüten auf des Standbilds Stufen. |
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Das ist der Trost bei unsrer Totenklage |
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Vor seinem Hügel, aufgehäuft aus Erde, |
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Daß tief sein Bild das Volk im Herzen trage |
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Und daß es niemals ihn vergessen werde, |
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Daß es sein Wort sich in die Seele schreibe, |
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Um Kopf und Arm dem ew’gen Recht zu weihen |
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Und daß sein Geist in uns lebendig bleibe, |
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Voran im Kampfe schreitend unsern Reihen. |
Details zum Gedicht „Nach einem Jahre“
Rudolf Lavant
6
48
335
nach 1860
Realismus,
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Nach einem Jahre“ ist Rudolf Lavant. Der Autor Rudolf Lavant wurde 1844 in Leipzig geboren. In der Zeit von 1860 bis 1915 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus oder Avantgarde / Dadaismus zu. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 335 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Rudolf Lavant ist auch der Autor für Gedichte wie „An die alte Raketenkiste“, „An unsere Feinde“ und „An unsere Gegner“. Zum Autor des Gedichtes „Nach einem Jahre“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 96 Gedichte vor.
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