Nach der Nacht von Paul Boldt

Laternen, die den Regenabend führen,
Haben die Stadt, die glänzende, verraten.
Eiweißer Eiter tropft im Lichteratem
Der Friedrichstraße, wo sich Dirnen rühren.
 
Die Augen kriechen aus den Faltenlidern
Und spritzen einen Blick, der dich begießt.
Sie lachen sich das Kleid vom Bauch; du siehst
Die Brüste — Krötenbäuche in den Miedern.
 
Du flohst, und Vögel sangen für dich junitags.
10 
Der Morgen senkte sich in dein Gesicht.
11 
Es schlugen Uhren an, weckten das Licht.
12 
Doggengebell des Turmuhrstundenschlags.
 
13 
Du öffnest deinen Mund, der ist lichtzahnig.
14 
O Wanderungen im Gestein der Stadt!
15 
O Röcheln, Schreie, seelenquälend Rad! —
16 
Es sprudelt aus der Morgenröte sahnig.
 
17 
Du schweigst. Hinter den dunklen Augen ruht
18 
Das Hirn vom Krampf der tötenden Arsene.
19 
Du lächelst, blickst — und da betritt die Szene
20 
Die Sonne, jugendlich, im Wolkenhut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Nach der Nacht“

Autor
Paul Boldt
Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
126
Entstehungsjahr
1914
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht wurde von Paul Boldt geschrieben, einem expressionistischen Dichter, der Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts tätig war.

Es lässt sich interpretieren, dass das lyrische Ich durch eine nächtliche Stadt wandert und Beobachtungen macht. In der ersten Strophe wird die Stadt als verräterisch und unsauber beschrieben, mit Laternen, die den Weg weisen und Dirnen, die sich rühren. In der zweiten Strophe werden die Dirnen weiterhin auf eine eher abstoßende Weise beschrieben.

Die dritte und vierte Strophe scheinen eine Erinnerung oder Fantasie des lyrischen Ich hervorzurufen. Es gibt eine Flucht, einen sonnigen Tag und eine morgendliche Erwachen.

Die Sprache des Gedichts ist sehr bildhaft und teils grotesk, wie es für die expressionistische Dichtung typisch ist. Es gibt viele Metaphern und ungewöhnliche Beschreibungen, die ein gewisses Unbehagen erzeugen, aber auch ein intensives und lebendiges Bild der Stadt und ihrer Bewohner zeichnen.

Das Gedicht hat eine etwas ungewöhnliche Form mit vier Versen pro Strophe, was nicht dem traditionellen Schema der meisten Gedichte entspricht. Es scheint auch keinen durchgehenden Reim zu geben, obwohl einige Verse teilweise reimende Wörter enthalten. Man könnte auch argumentieren, dass das Fehlen eines klare Reimschemas zur allgemeinen Störung und Unreinheit der beschriebenen Stadt beiträgt.

Die letzte Strophe führt dann in einen friedlicheren, ruhigeren Raum, wo trotz aller Traumata und Schwierigkeiten des früheren Lebens, das lyrische Ich im Lichte eines neuen Tages zur Ruhe kommt. Es ist eine Achterbahnfahrt durch Dunkelheit und Licht, Schmutz und Reinheit, Elend und Hoffnung. Es scheint ein Ausdruck der inneren Kämpfe und der gebrochenen Träume zu sein, die mit dem Leben in einer wachsenden, modernen Stadt verbunden sind.

Das Gedicht ist eine kraftvolle Darstellung städtischer Dunkelheit und Dekadenz, gepaart mit persönlichem Leid und Hoffnung. Es ist ein eindrucksvolles Beispiel für die tiefe emotionale Wirkung, die in der expressionistischen Poesie zum Ausdruck kommt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Nach der Nacht“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Paul Boldt. Der Autor Paul Boldt wurde 1885 in Christfelde bei Preußisch-Friedland (Westpreußen) geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1914 entstanden. Erschienen ist der Text in Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 126 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Der Dichter Paul Boldt ist auch der Autor für Gedichte wie „Andere Jüdin“, „Berlin“ und „Berliner Abend“. Zum Autor des Gedichtes „Nach der Nacht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 49 Gedichte vor.

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