Müder Juniabend von Joachim Ringelnatz

Blühende Kastanienzweige
Strecken ihre Tatzen vor.
Wenn ich jetzt das rechte Ohr,
Weil es taub ist, rückwärts neige,
Höre ich einen Spatzenchor.
 
Weil mich dessen Plärr so kalt
Läßt, und angeregt von Tatzen,
Suche ich jetzt mit Gewalt
Einen Pickel aufzukratzen,
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Der im Grund zwar noch nicht reif ist,
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Doch mich hinten an der Scharte,
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Wo beim Affen noch der Schweif ist,
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Schikaniert. Da plötzlich zischt
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Schnupfen in die Speisekarte.
 
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Rasches Taschentuch verwischt
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Rotz und Preise der Gemüse
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Und Salate. Und ich grüße
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Eine Dame, die vorbeigeht
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Und mich kennt, mir auch gefällt.
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Wobei leise was entzweigeht,
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Was den Hosenträger hält.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.4 KB)

Details zum Gedicht „Müder Juniabend“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
21
Anzahl Wörter
101
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Müder Juniabend“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der von 1883 bis 1934 lebte. Die zeitliche Zuordnung fällt in die Epoche der Weimarer Republik, welche von 1918 bis 1933 dauerte, eine Zeit, die von politischen Spannungen, wirtschaftlicher Unsicherheit und Kulturblüte geprägt war.

Beim ersten Eindruck bekommt der Leser einen humorvollen, aber auch skurrilen und detailreichen Einblick in den Alltag des lyrischen Ichs an einem Juniabend. Das Gedicht besticht durch seine Leichtigkeit und Schwerelosigkeit und Ringelnatz' besondere Gabe, Alltägliches grotesk und humorvoll darzustellen.

Im ersten Teil des Gedichts schildert das lyrische Ich seinen Eindruck von der Natur, genauer gesagt von Kastanienzweigen und einem Spatzenchor, der allerdings als störend wahrgenommen wird. Im zweiten Teil ist die Rede von körperlichen Beschwerden, genauer gesagt von einem Pickel und Schnupfen. In der dritten Strophe begegnet das lyrische Ich einer Dame und dem Missgeschick, dass der Hosenträger reißt. In allen Szenen zeigt sich eine leichte Resignation und Müdigkeit.

Die Form des Gedichts lässt sich keiner klassischen Form zuordnen, die Strophen variieren in ihrer Länge und es gibt kein festes Reimschema. Die Sprache ist einfach und leicht verständlich. Ringelnatz verwendet viele Alltagsvokabeln und seine Details sind oft überraschend und skurril. Er erzeugt damit eine spezielle Komik, die typisch für seine Werke ist.

Das Gedicht kann als ironische Momentaufnahme und als Ausdruck einer gewissen Lebensmüdigkeit und Unzufriedenheit interpretiert werden. Trotz der humorvollen und komischen Darstellung zeigt sich doch ein gewisser Weltschmerz und die Sehnsucht nach etwas anderem oder Neuem. Es vermittelt ein sehr menschliches und authentisches Bild vom Dasein, mit all seinen kleinen und großen Unannehmlichkeiten und Absurditäten.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Müder Juniabend“ ist Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1929 zurück. Erschienen ist der Text in Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Moderne oder Expressionismus zu. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 101 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 21 Versen. Der Dichter Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „...als eine Reihe von guten Tagen“, „7. August 1929“ und „Abendgebet einer erkälteten Negerin“. Zum Autor des Gedichtes „Müder Juniabend“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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