Müde von Otto Ernst

Ich zog auf fernen Wanderungen
An manchem stillen Ort vorbei,
Wo mich’s mit Allgewalt durchdrungen,
Wie selig dort die Ruhe sei.
 
Mit hohen Wipfeln sah ich ragen
Den Föhrenwald am Felsenhang;
Wie leiser Gruß aus fernen Tagen
Der Wind durch seine Kronen klang.
 
Ein Wasser ging in seinem Grunde –
10 
Es weilte still mein Bild darin –
11 
Von Stein zu Stein, von Stund’ zu Stunde
12 
Mit ewig gleichem Sang dahin.
 
13 
Und rings zersprengte Felsenmauern
14 
In altbemooster Einsamkeit –
15 
Auf einem Felsblock sah ich kauern
16 
Ergraut und stumm die tote Zeit.
 
17 
Ich zog auf fernen Wanderungen
18 
An manchem stillen Ort vorbei,
19 
Wo mir die Sehnsucht vorgesungen,
20 
Wie selig dort die Ruhe sei.
 
21 
O wie bescheiden wir uns stille
22 
Mit jedem jungen Traum zuletzt!
23 
Mich hat des Schicksals harter Wille
24 
Durch Angst und Not und Qual gehetzt.
 
25 
Nach aller Sorgen Gift und Kummer,
26 
Nach dieses Lebens Schein und Trug –
27 
Zur letzten Rast, zum langen Schlummer
28 
Ist jeder Winkel gut genug.
 
29 
Auf lautem Markt, im Tagesscheine
30 
Geht mir’s verlangend durch den Sinn:
31 
Ich legte mich auf diese Steine,
32 
Wie gern! zur letzten Ruhe hin.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Müde“

Autor
Otto Ernst
Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
180
Entstehungsjahr
1907
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Müde“ wurde von Otto Ernst verfasst, einem deutschen Schriftsteller, der von 1862 bis 1926 lebte. Es lässt sich somit in die Epoche des Realismus einordnen, einer literarischen Strömung, die im deutschen Sprachraum von etwa 1850 bis 1890 dominierte, jedoch könnten auch Anzeichen für den beginnenden Naturalismus vorhanden sein.

Beim ersten Lesen fällt die melancholische und ruhige Atmosphäre des Gedichts auf. Die Worte und die Atmosphäre wirken sehr bedächtig und nachdenklich. Es entsteht der Eindruck eines Wanderers, der versucht, in der Natur ein Gefühl der Ruhe und Ausgeglichenheit zu finden.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich seine Wanderungen durch verschiedene Orte und Landschaften und die Eindrücke, die es dabei gewinnt. Es spricht von der Ruhe und der Seligkeit, die es an diesen Orten verspürt, vor allem in der Einsamkeit und Stille der Natur. Es nimmt die Details in seiner Umgebung intensiv wahr, wie den Föhrenwald, das Wasser und seine Spiegelung darin und die verwitterten Felsen. Deutlich werden auch die Ermüdung und die Sehnsucht des lyrischen Ichs, Ruhe zu finden, ausgedrückt. In den letzten Strophen spricht es von der Härte des Lebens und scheint sich nach dem Tod und der Ruhe, die dieser mit sich bringt, zu sehnen. Dieses Motiv der Todessehnsucht ist typisch für die Literatur des Realismus und Naturalismus, welche oftmals die harte Realität des Lebens thematisiert.

Formal besteht das Gedicht aus acht vierzeiligen Strophen, was ein sehr regelmäßiges und ruhiges metrisches Muster erzeugt. In der Sprache zeigen sich deutliche Züge des Realismus: Die Sprache ist klar und präzise, versucht, die Welt so genau wie möglich abzubilden und verzichtet auf überschwängliche Emotionen oder übertriebene Rhetorik.

Zusammenfassend ist das Gedicht „Müde“ von Otto Ernst eine intensive und tiefgründige Reflexion über das Leben, die Müdigkeit und die Sehnsucht nach Ruhe und Frieden. Es liefert ein beeindruckendes Bild der Wanderung des lyrischen Ichs, sowie eine einfühlsame Schilderung seiner Empfindungen und des Wunsches nach einem Ende seiner Ermüdung und Sorge.

Weitere Informationen

Otto Ernst ist der Autor des Gedichtes „Müde“. 1862 wurde Ernst in Ottensen bei Hamburg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1907 zurück. Erschienen ist der Text in Leipzig. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 180 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Die Gedichte „Aus einer Nacht“, „Ausflug“ und „Blühendes Glück“ sind weitere Werke des Autors Otto Ernst. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Müde“ weitere 64 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Otto Ernst

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Otto Ernst und seinem Gedicht „Müde“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Otto Ernst (Infos zum Autor)

Zum Autor Otto Ernst sind auf abi-pur.de 64 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.