Mißratenen Kindes Lied von Joachim Ringelnatz
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Ich weiß im Lande Leute verstreut, |
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Die saufen sich wissend zu Tode; |
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(Saufen sich, hungern sich, härmen – ganz gleich! |
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Sind alle, die ich meine, nicht reich.) |
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Mein Vater sagte: „Die Leute von heut |
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Die haben so unsinnige Mode.“ |
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Ich antwortete: „Ja die Leute – heut – Leut –“ |
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„Ansehnlich unauffällig gemein“ |
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Das scheint mir das Ziel der Mode zu sein. |
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Ich bin von die Leute von heute |
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Ein Antipode der Mode. |
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Ich bin meines Vaters mißratenes Kind. |
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Gestern starb er. Und heute |
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Weiß ich, daß viele von uns zu Tode |
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Sich quälen und trotzen, die ebenso sind |
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Wie Vater, Urahne, Großmutter und Kind. – |
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Da pfeift sich was wie Seemannswind: |
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Sauf zu! Hihi! Sauf zu! Hihi! |
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Ich habe keine Sorgen; |
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Höchstens vielleicht die eine, die |
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Um die Leute von morgen. |
Details zum Gedicht „Mißratenen Kindes Lied“
Joachim Ringelnatz
5
21
126
1928
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Mißratenen Kindes Lied“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettisten, der während der Weimarer Republik bekannt war. Daher kann das Gedicht zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeordnet werden.
Erster Eindruck: Das Gedicht hinterlässt einen melancholischen Eindruck. Es wendet sich kritisch gegen die gesellschaftlichen Normen und Werte seiner Zeit und reflektiert zugleich tiefgehende persönliche Gefühle und Erfahrungen des lyrischen Ichs.
Inhalt: Das lyrische Ich beobachtet Personen in seiner Umgebung, die sich bewusst „zu Tode saufen“, hungern oder sich quälen, und nach außen hin dennoch unauffällig und ansehnlich wirken. Es gibt an, sich von den Leuten seiner Zeit und ihrer Mode, also ihren Verhaltens- und Lebensweisen, abzugrenzen. Es bezeichnet sich als „mißratenes Kind“ seines verstorbenen Vaters und drückt das Bewusstsein aus, dass es viele Menschen gibt, die sich trotz innerer Qualen der gesellschaftlichen Norm unterordnen. Abschließend äußert das lyrische Ich eine vage Sorge um die künftigen Generationen.
Form und Sprache: Das Gedicht besteht aus fünf Strophen unterschiedlicher Länge mit insgesamt 21 Versen. Die Wortwahl ist zumeist schlicht und alltagsnah, beinhaltet jedoch auch bildhafte und metaphorische Ausdrücke („Sauf zu! Hihi!“, „Ansehnlich unauffällig gemein“). Das lyrische Ich nutzt die direkte Ansprache („Mein Vater sagte“, „Ich antwortete“), um einen Dialog mit seinem verstorbenen Vater zu simulieren und intensiviert damit die Emotionalität des Gedichts. Dies, zusammen mit seiner selbstbezogenen und gleichzeitig gesellschaftskritischen Perspektive, macht das Gedicht zu einer eindrücklichen Reflexion des Ringelnatz'schen Selbstverständnisses und seiner Zeit.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Mißratenen Kindes Lied“ ist Joachim Ringelnatz. Geboren wurde Ringelnatz im Jahr 1883 in Wurzen. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1928. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 21 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 126 Worte. Weitere Werke des Dichters Joachim Ringelnatz sind „Abglanz“, „Abschied von Renée“ und „Abschiedsworte an Pellka“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Mißratenen Kindes Lied“ weitere 560 Gedichte vor.
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Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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