Mitternacht von Andreas Gryphius

SChrecken / vnd Stille / vnd dunckeles Grausen / finstere Kälte bedecket das Land /
Itzt schläfft was Arbeit vnd Schmertzen ermüdet / diß sind der traurigen Einsamkeit stunden.
Nunmehr ist / was durch die Lüffte sich reget / nunmehr sind Menschen vnd Thiere verschwunden.
Ob zwar die immerdar schimmernde Lichter / der ewig schitternden Sternen entbrant!
Suchet ein fleissiger Sinn noch zu wachen? der duch bemühung der künstlichen Hand /
Ihm / die auch nach vns ankommende Seelen / Ihm / die an itzt sich hier finden verbunden?
Wetzet ein bluttiger Mörder die Klinge? wil er vnschuldiger Hertzen verwunden?
Sorget ein Ehren-begehrend Gemütte / wie zu erlangen ein höherer Stand?
Sterbliche! Sterbliche! lasset diß dichten! Morgen! Ach Morgen! Ach muß man hinziehn!
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Ach wir verschwinden gleich als die Gespenste / die vmb die Stund vns erscheinen vnd fliehn.
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Wenn vns die finstere Gruben bedecket / wird / was wir wündschen vnd suchen zu nichte.
12 
Doch / wie der gläntzende Morgen eröffnet / was weder Monde noch Fackel bescheint:
13 
So / wenn der plötzliche Tag wird anbrechen / wird was geredet / gewürcket / gemeynt.
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Sonder vermänteln eröffnet sich finden vor deß erschrecklichen GOttes Gerichte.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Mitternacht“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
173
Entstehungsjahr
1658
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Mitternacht“ wurde von Andreas Gryphius verfasst, einem der bedeutendsten Lyriker des Barock (17. Jahrhundert). Gryphius' Werke sind bekannt für ihre intensive Auseinandersetzung mit den Vergänglichkeits- und Eitelkeitsthematiken im Kontext der damaligen Zeit, die von Krieg und Zerstörung geprägt war.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht düster und eindringlich. Es gibt einen tiefen Einblick in die empfundene Einsamkeit und den Tod, die dominierenden Themen in Gryphius' Werk.

Im Gedicht reflektiert das lyrische Ich über das Dunkel der Mitternacht und die Einsamkeit, die mit dieser Stunde einhergeht. Das Gedicht beginnt mit einer Darstellung der Nacht als Zeit der Stille, Dunkelheit und Angst. Das lyrische Ich erzählt von schlafenden Menschen und Tieren, die von Arbeit und Schmerzen erschöpft sind. Es stellt Fragen, ob in dieser Zeit der Stille und Dunkelheit jemand noch wach ist, ob ein Mörder seine Klinge wetzt oder ob jemand nach Ruhm strebt. Die Mitternacht wird als eine symbolische Stunde von Tod und Vergänglichkeit porträtiert, die markiert, wie schnell das Leben vergehen kann. Zum Ende hin wird so vor der Endlichkeit des Lebens und einem bevorstehenden göttlichen Gericht gewarnt.

Formal besteht das Gedicht aus 14 Versen in einer einzigen Strophe und folgt damit der Form eines Sonetts. Es gibt jedoch keine strikte Reimstruktur, was typisch für Gryphius' Gedichte ist. Die Sprache des Gedichts ist prägnant und intensiv, mit einem sorgfältigen Gebrauch von Metaphern und beschreibenden Ausdrücken. Die immer wiederholte perspektivische Rückkehr zur Dunkelheit und Stille der Mitternacht schafft eine Sinneinheit und einen wiedererkennbaren Rhythmus im Gedicht.

Abschließend lässt sich sagen, dass Gryphius' „Mitternacht“ ein tiefgründiges Gedicht ist, das die düstere symbolische Bedeutung von Mitternacht nutzt, um Betrachtungen über Tod, Vergänglichkeit und Endlichkeit anzustellen. In dieser Nachdenklichkeit über das menschliche Leben und das Unvermeidliche finden wir Gryphius' typisches barockes Vanitasmotiv.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Mitternacht“ des Autors Andreas Gryphius. Geboren wurde Gryphius im Jahr 1616 in Glogau. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1658 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Breßlau. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Barock zuordnen. Gryphius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die europäische Stilepoche des 17. und 18. Jahrhunderts, die wir heute als Barock bezeichnen, leitet sich von dem portugiesischen Wort „barocco“ ab. Das portugiesische Wort stammt ursprünglich aus dem Juwelierhandwerk und heißt auf Deutsch „schiefrunde, unregelmäßige Perle“. Der Dreißigjährige Krieg war ein Religions- und Territorialkrieg in Europa, der für Zerstörung, Tod und Elend sorgte. Dazu kamen Zerfall der Wirtschaft und die Pest, welche das Unheil während des Dreißigjährigen Krieges nur noch verschärfte. Die Erfahrungen mit dem Krieg und seinen dramatischen Folgen spiegeln sich in einem gegensätzlichen Weltbild wider. Dies entspricht der damaligen Lebenswirklichkeit der Menschen: Das Leben der einfachen Bevölkerung war beeinflusst von Armut und Pessimismus, während bei den Adeligen nach dem Vorbild des französischen Absolutismus Luxus und Verschwendung herrschten. In der Dichtung wird der Einsatz solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. In Deutschland führte der Barock zu einer Ablösung des Lateinischen in der Literatur - einschließlich der wissenschaftlichen und philosophischen Literatur - durch das Deutsche. Schriftsteller und Werke dieser Zeit sind vielzählig. Andreas Gryphius, Martin Opitz oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind unverkennbare Vertreter des Barocks.

Das vorliegende Gedicht umfasst 173 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 14 Versen. Weitere Werke des Dichters Andreas Gryphius sind „An Jolinden“, „An den gecreutzigten Jesum“ und „An den gefangenen Dicaeus“. Zum Autor des Gedichtes „Mitternacht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 463 Gedichte vor.

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