Mit dem Weininger von Kurt Tucholsky

Ja … da sitzst du nun auf deines Bettes Rand,
und die ganze Welt scheint dir nicht recht …
Lies du nur in diesem Lederband
und erkenne dein Geschlecht!
 
Wisse, Mädchen, du bist null und nichtig!
bist ein subsidiäres Komplement!
Tier und Fraue! Nimmst nur eines wichtig:
Wenn der Phallus dich erkennt.
 
Mit den sieben heimelichen Lüsten
10 
beugst du klaren, starken Mannessinn –:
11 
Wenn wir nur nicht mit euch schlafen müßten!
 
12 
Er hat recht, und du bist Königin!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.9 KB)

Details zum Gedicht „Mit dem Weininger“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
75
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Mit dem Weininger“ wurde von Kurt Tucholsky verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Journalisten, der von 1890 bis 1935 lebte. Tucholsky war bekannt für seine scharfe Sozialkritik und seinen bissigen Humor, der sich auch in diesem Gedicht zeigt. Es lässt sich zeitlich in die Weimarer Republik einordnen, einer Phase der politischen und gesellschaftlichen Unsicherheit in Deutschland, die Tucholsky in vielen seiner Werke thematisierte.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht überraschend und provokativ. Die scheinbare Abwertung der Frau und ihre Reduzierung auf eine sexuelle Funktion kann schockieren. Allerdings sollte das Gedicht nicht wörtlich, sondern im Kontext von Tucholskys satirischer Schreibweise und als Kommentar zur damaligen Gesellschaft interpretiert werden.

Inhaltlich spricht das lyrische Ich eine Frau direkt an und stellt sie als untergeordnet und unbedeutend dar („Mädchen, du bist null und nichtig!„; „bist ein subsidiäres Komplement“). Ihre Existenz scheint nur in Bezug auf den „Phallus“, also den Mann, relevant zu sein. Die Botschaft scheint sehr negativ und entwertend zu sein.

Allerdings zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass Tucholsky mit seinem Gedicht ein ironisches Spiel betreibt. Denn das Gedicht greift die Thesen von Otto Weininger auf, einem österreichischen Philosophen, der Frauen und Juden als minderwertig betrachtete. Tucholsky stellt diese abstrusen Ansichten durch Überzeichnung bloß und kritisiert sie.

Formal besteht das Gedicht aus vier Strophen mit unterschiedlicher Anzahl von Versen und ohne festes Reimschema. Die Sprache ist einfach und verständlich, jedoch durchdrungen von Sarkasmus und Spott. Tucholsky verwendet zudem Fachbegriffe („subsidiäres Komplement“), um die Absurdität der abwertenden Theorien noch zu überhöhen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Tucholskys „Mit dem Weininger“ eine scharfe Satire auf frauenfeindliche Ansichten ist. Mit beißendem Humor und kluger Ironie unterläuft Tucholsky die damals verbreiteten Vorstellungen von Geschlechterrollen und kritisiert eine Gesellschaft, die Frauen abwertet und marginalisiert.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Mit dem Weininger“ des Autors Kurt Tucholsky. Im Jahr 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1919 entstanden. Charlottenburg ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

In der Literatur der Weimarer Republik wurden inhaltlich häufig die Ereignisse des Ersten Weltkrieges verarbeitet. Sowohl der Erste Weltkrieg als auch die späteren politischen Gegebenheiten der Weimarer Republik sind prägende Faktoren für diese Epoche. Neue Sachlichkeit ist eine Richtung der Literatur der Weimarer Republik. In den Werken dieser Zeit ist die zwischen den Weltkriegen hervortretende Tendenz zu illusionslos-nüchterner Darstellung von Gesellschaft, Technik, Weltwirtschaftskrise aber auch Erotik deutlich erkennbar. Es ist als Reaktion auf den literarischen Expressionismus zu werten. Die Handlung wurde meist nur kühl und distanziert beobachtet. Die Dichter orientierten sich dabei an der Realität. Mit einem Minimum an Sprache wollte man ein Maximum an Bedeutung erreichen. Mit den Texten sollten so viele Menschen wie möglich erreicht werden. Deshalb wurde darauf geachtet eine einfache sowie nüchterne Alltagssprache zu verwenden. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die zum Beispiel in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz setze den Schriftstellern dieser Zeit noch mal verstärkt Grenzen. 1931 trat die Pressenotverordnung in Kraft, dadurch waren die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate hinweg möglich geworden.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht im Ausland suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk im Heimatland bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist religiöse oder politische Gründe den Ausschlag. Die deutsche Exilliteratur entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten insbesondere die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten in den Jahren 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Exilliteratur lässt sich insbesondere an den thematischen Schwerpunkten wie Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland oder Aufklärung über den Nationalsozialismus erkennen. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Epoche geboren wurden. Das epische Theater von Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Flugblätter und Radioreden der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten zu erwähnen. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das Gedicht besteht aus 12 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 75 Worte. Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „All people on board!“, „Also wat nu – ja oder ja?“ und „An Lukianos“. Zum Autor des Gedichtes „Mit dem Weininger“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 136 Gedichte vor.

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