An die blasse Sonne I von Paul Haller

Heut ist in meine Stube die Sonne gekommen.
 
Ihre Augen standen wie der blaue Himmel,
Wenn die zarten Frühnebel darauf verdampfen,
Und’s noch zuckt und rätselt hinter dem Schleier.
 
Nun lagen sie wie die flachen Teiche,
Vom weinenden Himmel auf’s Grüne geworfen;
Der Schilf ihrer Wimpern schattete drüber.
 
Und strahlten auf wie die Blumen am Berge,
Die des Morgens tauperlig necken und lachen,
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Des Mittags verbrennen in heißem Erröten,
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Des Abends stumm nach Gewittern starren.
 
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Ihre Wangen hingen an Schläfen von Marmor.
 
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Ihre Füße zögerten, als sie davonging.
 
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Und ihr Mund, der schmale, mit geschliffenem Messer
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Aus Elfenbein lächelnd vom Künstler geschnitzte,
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Sprach noch fern aus dem Dunkel sein liebes: Gut Nacht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „An die blasse Sonne I“

Autor
Paul Haller
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
114
Entstehungsjahr
nach 1898
Epoche
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An die blasse Sonne I“ wurde von Paul Haller verfasst, einem österreichischen Schriftsteller, der von 1882 bis 1920 lebte. Daher lässt sich das Gedicht zeitlich der Moderne bzw. der beginnenden expressionistischen Epoche zuordnen.

Der erste Eindruck des Gedichts ist stark von Bildern und Stimmungen geprägt, welche durch metaphorische Naturvergleiche erzeugt werden. Es scheint, als ob der Autor Person und Natur zu einem harmonischen Ganzen vermählt.

Das lyrische Ich im Gedicht empfindet das Eintreten der Sonne in die Stube als einen besonderen, freudvollen Moment. Es wird nicht explizit gesagt, aber man kann interpretieren, dass die „Sonne“ hier metaphorisch als eine geliebte Person dargestellt wird. Es wird detailliert beschrieben, wie sich die Stimmung und das Aussehen dieser Person bzw. „Sonne“ im Laufe des Tages verändern – anfangs noch verschleiert und rätselhaft, dann strahlend und voller Leben, nur um schließlich in ein behagliches Dunkel einzutauchen. Auch kleinste Details wie die „Schilf ihrer Wimpern“, das „heißem Erröten“ und der Abend, nachdem „Gewitter“ stattgefunden haben, verdeutlichen, dass diese „Sonne“ nicht nur als Himmelskörper, sondern als Mensch wahrgenommen wird. Dieser Mensch verabschiedet sich schließlich am Ende des Gedichts mit einem „lieben: Gut Nacht.„

Auf Form und Sprache des Gedichts bezogen fällt auf, dass der Aufbau unregelmäßig ist, die Strophenlängen variieren zwischen einem und vier Versen. Die Sprache des Gedichts ist metaphorisch und bildhaft, mit vielen Vergleichen und Anspielungen. Zugleich bleibt sie aber, für ihren historischen Kontext, relativ schlicht und klar. Es gibt im Grunde genommen keinen Reim oder einen erkennbaren Metrum, was zeigt, dass Haller eher das freie Versmaß und den freien Rhythmus bevorzugte. Dies kann als ein Indiz dafür gedeutet werden, dass das lyrische Ich unabhängig von konventionellen Vorgaben seine Gefühle und Gedanken ausdrückt. Die Wahl der Worte und die Erzeugung starker emotionaler Bilder sind in diesem Gedicht die zentralen Methoden, um den Leser anzusprechen und die Botschaft zu vermitteln.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An die blasse Sonne I“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Paul Haller. Geboren wurde Haller im Jahr 1882 in Rein bei Brugg. Das Gedicht ist in der Zeit von 1898 bis 1920 entstanden. Aarau ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Naturalismus zuordnen. Der Schriftsteller Haller ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 114 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Die Gedichte „An die Mutter“, „An die blasse Sonne II“ und „An die strahlende Sonne“ sind weitere Werke des Autors Paul Haller. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An die blasse Sonne I“ weitere 65 Gedichte vor.

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