Minneklage von Heinrich Heine

Einsam klag ich meine Leiden,
Im vertrauten Schooß’ der Nacht;
Frohe Menschen muß ich meiden,
Fliehen scheu wo Freude lacht.
 
Einsam fließen meine Thränen,
Fließen immer, fließen still;
Doch des Herzens brennend Sehnen
Keine Thräne löschen will.
 
Einst ein lachend muntrer Knabe
10 
Spielt’ ich manches schöne Spiel,
11 
Freute mich der Lebensgabe,
12 
Wußte nie von Schmerzgefühl.
 
13 
Denn die Welt war nur ein Garten,
14 
Wo viel bunte Blumen blüh’n,
15 
Wo mein Tagwerk Blumen-warten,
16 
Rosen, Veilchen und Jasmin.
 
17 
Träumend süß auf grüner Aue
18 
Sah ich Bächlein fließen mild;
19 
Wenn ich jetzt in Bächlein schaue,
20 
Zeigt sich mir ein bleiches Bild.
 
21 
Bin ein bleicher Mann geworden,
22 
Seit mein Auge sie gesehn;
23 
Heimlich weh ist mir geworden,
24 
Wundersam ist mir gescheh’n.
 
25 
Tief im Herzen hegt’ ich lange
26 
Englein stiller Friedensruh;
27 
Diese flohen zitternd, bange,
28 
Ihrer Sternenheimath zu.
 
29 
Schwarze Nacht mein Aug’ umdüstert’,
30 
Schatten drohen feindlich grimm;
31 
Und im Busen heimlich flüstert
32 
Eine eigen fremde Stimm’.
 
33 
Fremde Schmerzen, fremde Leiden
34 
Steigen auf mit wilder Wuth,
35 
Und in meinen Eingeweiden
36 
Zehret eine fremde Glut.
 
37 
Aber daß in meinem Herzen
38 
Flammen wühlen sonder Ruh,
39 
Daß ich sterbe hin vor Schmerzen –
40 
Minne sieh! das thatest du!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Minneklage“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
189
Entstehungsjahr
1822
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Minneklage“ wurde von Heinrich Heine verfasst, der von 1797 bis 1856 lebte. Als eine der wichtigsten Figuren der deutschen Romantikbevorzugte Heine oft emotionale und persönliche Themen für seine Lyrik. Dieses Gedicht scheint zwischen der Frühromantik (1795–1804) und der Hochromantik (1804–1815) geschrieben worden zu sein, ein Zeitraum, in dem Emotion und individuelles Erleben die Hauptthemen in der Literatur waren.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht melancholisch und eher negativ. Es geht um Liebe, Leid und Einsamkeit, typische Themen der Romantik. Das lyrische Ich im Gedicht scheint emotional tief verletzt und resigniert zu sein. Durch das Gedicht drückt es seine tief sitzenden Schmerzen und den unerfüllten Wunsch nach Liebe aus.

Der Inhalt des Gedichts dreht sich um die inneren Qualen des lyrischen Ichs, die sich in Form von Einsamkeit und Kummer manifestieren. Es beklagt die Veränderung seines ehemals unbeschwerten Daseins und sehnt sich nach der verlorenen Unschuld und Freude der Jugend zurück. Das lyrische Ich gibt der „Minne“ (alte Bezeichnung für Liebe) die Schuld an seinem Leid. Es hat sich verliebt und diese Liebe hat ihm große Schmerzen bereitet.

Formal ist „Minneklage“ ein klassisches romantischen Gedicht. Es besteht aus 10 Vierzeilenstrophoen mit einem klaren Rhythmus und reimt in der Regel im Muster der alternierenden Reime (ABAB). Die Sprache des Gedichts ist einfach, aber ergreifend und die Bilder, die Heine malt, sind intensiv und eindringlich. Die wiederholte Verwendung des Wortes „fremd“ weist auch auf die Entfremdung des lyrischen Ichs hin, die es durch seine unerwiderte Liebe erfahren hat.

Insgesamt drückt „Minneklage“ die tiefsten Sehnsüchte und Schmerzen des lyrischen Ichs aus, die durch seine unerwiderte Liebe verursacht werden. Dabei benutzt Heine eine ausdrucksstarke und bewegende Sprache, die die Leser dazu bringt, Mitgefühl für das lyrische Ich zu entwickeln. Seine scheinbar unendliche Trauer und sein Verlangen sind universelle Gefühle, zu denen sich viele Menschen ziehen fühlen, was möglicherweise erklärt, warum Heines Gedichte lange nach seinem Tod immer noch gelesen und geschätzt werden.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Minneklage“ ist Heinrich Heine. Geboren wurde Heine im Jahr 1797 in Düsseldorf. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1822 zurück. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 189 Worte. Der Dichter Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Allnächtlich im Traume seh’ ich dich“, „Almansor“ und „Als ich, auf der Reise, zufällig“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Minneklage“ weitere 535 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Heinrich Heine

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Heinrich Heine und seinem Gedicht „Minneklage“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Heinrich Heine (Infos zum Autor)

Zum Autor Heinrich Heine sind auf abi-pur.de 535 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.