Mensch und Tier von Joachim Ringelnatz
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Wenn ich die Gesichter rings studiere, |
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Frage ich mich oft verzagt: |
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Wieviel Menschen gibt’s und wieviel Tiere? – |
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Und dann hab’ ich – unter uns gesagt – |
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Äußerst dumm gefragt. |
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Denn die Frage intressiert doch bloß |
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Länderweis statistische Büros, |
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Und auch diese würden sich sehr quälen, |
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Um zum Beispiel Läuse nachzuzählen. |
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Dummer Mensch spricht oft vom dummen Vieh, |
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Doch zum Glück versteht das Vieh ihn nie. |
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In dem neuen Koridor von Polen |
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Gaben sich zwei Pferde einen Kuß, |
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Und die Folge war ein dünnes Fohlen, |
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Welches stundenlang |
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Immer anders, als man dachte, sprang. |
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Wenn es auch in Polen |
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Sehr viel Läuse gibt, – – |
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Aber wer ein solches Fohlen |
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Sieht und dann nicht liebt, |
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Bleibe mir gestohlen. |
Details zum Gedicht „Mensch und Tier“
Joachim Ringelnatz
4
21
113
1928
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Mensch und Tier“ wurde von Joachim Ringelnatz, einem humorvollen, scharfzüngigen Dichter und Maler der Weimarer Republik, geschrieben. Ringelnatz wurde am 7. August 1883 geboren und starb am 17. November 1934. Seine künstlerische Laufbahn fand also größtenteils in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts statt.
Auf den ersten Blick fällt der unspezifische, fast alltäglich wirkende Titel des Gedichts „Mensch und Tier“ auf. Dies schürt die Erwartung auf eine Untersuchung der Beziehungen zwischen Menschen und Tieren. Ringelnatz' Sprache ist in der Tat direkte und schnörkellos, was seinen humorvollen, aber gleichzeitig scharf kritischen Ton unterstreicht.
Im Inhalt des Gedichts stellt das lyrische Ich zunächst eine scheinbar einfache Frage: Wie viele Menschen und Tiere gibt es eigentlich? Es erkennt aber selbst, dass diese Frage „äußerst dumm“ ist. Sie ist nicht nur irrelevant, sondern auch nahezu unmöglich zu beantworten. Die zweite Strophe erweitert diesen Gedanken: Sogar statistische Behörden, die normalerweise diese Art von Informationen sammeln, hätten Schwierigkeiten, alle Tiere zu zählen – insbesondere die Kleinsten wie Läuse.
In der dritten Strophe widmet sich Ringelnatz der angeblichen Dummheit von Tieren, die oft von Menschen vorgebracht wird. Er stellt diese Behauptung jedoch durch die liebevolle Schilderung eines Pferdepaares, das ein Fohlen zur Welt bringt, in Frage. In der letzten Strophe betont Ringelnatz schließlich, wer dieses Wunder des Lebens nicht lieben kann, ist es nicht wert, seine Zeit zu verbringen.
Die Form von Ringelnatz' Gedicht ist durch vier Strophen mit unterschiedlichen Anzahl an Versen charakterisiert. Seine Sprache ist klar, direkt und nicht durch den Einsatz von komplizierten Metaphern oder extravagantem Vokabular verkompliziert. Es handelt sich zwar um ein humorvolles Gedicht, aber hinter dieser komödiantischen Fassade verbirgt sich eine tiefere Botschaft: eine Kritik an der menschlichen Eitelkeit und Arroganz, die oft dazu führt, dass wir uns selbst als zentralen Punkt des Universums und über andere Lebewesen erheben.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Mensch und Tier“ ist Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. 1928 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 113 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 21 Versen. Die Gedichte „Abschied von Renée“, „Abschiedsworte an Pellka“ und „Afrikanisches Duell“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „Mensch und Tier“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.
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Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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