Meine Tante von Joachim Ringelnatz

Meine Tante ist eine Blinde
Und obendrein geistesgestört,
Was ich doch noch rüstig empfinde,
Weil sie auf dem einen Ohr hört.
 
Ihr Rückgrat ist wie ein Henkel.
Sie geht deshalb etwas gebückt.
Doch hat sie am oberen Schenkel
Ein Grübchen, das jeden entzückt.
 
Ein Grübchen, wie manch eine Haut hat,
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Nur zarter und doch wieder stark,
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Daß jeder, der es geschaut hat,
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Erfreut etwas zahlt. Meist drei Mark.
 
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Sie hat Perioden mit Äther.
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Ich breche mitunter mit ihr
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Beziehungen ab, die ich später
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Erneure bei angeblich Bier.
 
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Denn sie ist doch eine volle
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Mimosengestalt, ein Genie,
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Und immer noch unter Kontrolle.
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Ich garantiere für sie.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.4 KB)

Details zum Gedicht „Meine Tante“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
105
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Meine Tante“ ist eine der scherzhaften, absurden Werke des deutschen Dichters Joachim Ringelnatz, der von 1883 bis 1934 lebte. Er ist bekannt für seinen humorvollen und oft makabren Stil.

Erster Eindruck: Das Gedicht erzeugt einerseits einen unmittelbaren Sinn für Humor und Absurdität, andererseits scheint es eine zärtliche Zusammenfassung der Besonderheiten der Tante des lyrischen Ichs zu sein.

Inhalt: Das lyrische Ich beschreibt seine Tante in einer seltsamen und humorvollen Weise. Die Tante ist, nach der Aussage des Ichs, blind und geistesgestört, aber immer noch dynamisch. Sie hat ein attraktives Grübchen am oberen Schenkel, das anscheinend jeder bewundert und für dessen Anblick eine Gebühr von drei Mark verlangt wird. Sie hat auch Perioden, in denen sie Äther konsumiert, was die Beziehung zwischen ihr und dem Ich beeinflusst. Trotz ihrer Eigenarten wird sie als „voll“, als „Mimosengestalt“ und als „Genie“ beschrieben und es wird betont, dass sie „immer noch unter Kontrolle“ ist.

Form und Sprache: Das Gedicht besteht aus fünf Strophen zu je vier Versen und ist in einfacher Sprache gehalten. Jede Strophe beleuchtet eine andere Eigenschaft der Tante. Die Beschreibungen variieren von absurd bis liebevoll und bieten einen humorvollen, aber auch herzlichen Einblick in das Verhältnis zwischen dem Ich und seiner Tante. Die Ironie und der Sarkasmus sind charakteristisch für Ringelnatz' Arbeit, was den unterhaltsamen Ton des Gedichts hervorhebt.

Insgesamt kann man sagen, dass „Meine Tante“ ein humorvolles Porträt einer schrulligen, aber geliebten Familienmitglieds bietet. Das Gedicht feiert die Individualität und Eigenheiten der Tante auf eine liebevolle und respektvolle, aber auch humorvolle Weise.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Meine Tante“ ist Joachim Ringelnatz. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1928 zurück. Der Erscheinungsort ist Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das 105 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere Werke des Dichters Joachim Ringelnatz sind „...als eine Reihe von guten Tagen“, „7. August 1929“ und „Abendgebet einer erkälteten Negerin“. Zum Autor des Gedichtes „Meine Tante“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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