Mein Bruder von Joachim Ringelnatz
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Mein Bruder löst immer Probleme. |
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Mein Bruder verfolgt ein Ziel. |
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Mich nennt er eine bequeme |
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Schlawinernatur ohne Stil. |
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Mein Bruder wohnt – Ehrensache – |
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Und sagt, er habe Niveau. |
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Doch wenn ich darüber lache, |
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Beschimpft er mich: ich sei roh. |
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Mein Bruder muß Rechnung tragen |
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Und spricht gern über Kultur. |
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Mich hat er einmal geschlagen, |
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Weil mir dabei was entfuhr. |
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Mein Bruder haut mich sehr häufig. |
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Er nennt das dann „aus Prinzip“. |
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Solche Worte sind ihm geläufig. |
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Ich hab ihn deshalb so lieb. |
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Ich würde ihn auch gern mal hauen. |
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Doch er ist leider sehr stark. |
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Nur wenn er Glück hat bei Frauen, |
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Dann schenkt er mir immer zwei Mark. |
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Ich bin zwar ein saudummes Luder, |
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Meine beiden Beine sind schief. |
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Im übrigen ist mein Bruder |
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Gar nicht verwandt, sondern stief. |
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Doch wenn ich „gestiefelter Kater“ |
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Ihn nenne, dann schäumt er wie Most |
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Und schreibt Beschwerden an Vater, |
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Und die trage ich dann zu Post. |
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Ich trage ihm alle Pakete, |
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die größer sind, als er denkt. |
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Jetzt hat er meine Trompete |
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Hinter meinem Rücken verschenkt. |
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Ein Bischof hat einen braunen |
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Frack meinem Bruder verehrt. |
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Sie würden überhaupt staunen, |
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Mit wem mein Bruder verkehrt. |
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Dagegen lebe ich – meint er – |
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Ganu stur wie ein Vieh in den Tag. |
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Manchmal, wo Damen sind, weint er; |
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So einer stirbt mal am Schlag. |
Details zum Gedicht „Mein Bruder“
Joachim Ringelnatz
10
40
216
1928
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Mein Bruder“ wurde von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Autor und Kabarettist, geschrieben, der von 1883 bis 1934 lebte. Ringelnatz ist bekannt für seine humoristischen und oft sarkastischen Werke, die eine tiefe, gesellschaftskritische Botschaft enthalten können.
Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht humorvoll und geschrieben in einer zugänglichen, einfachen Sprache. Der Inhalt des Gedichts konzentriert sich auf die Beziehung zwischen zwei Brüdern, wobei der erzählende Bruder, das lyrische Ich, eine ziemlich kritische Haltung gegenüber seinem Bruder einnimmt. Er stellt seinen Bruder als jemanden dar, der angibt, Probleme zu lösen, Ziele zu verfolgen, Niveau und Kultur zu haben; jedoch auch gewalttätig und respektlos gegenüber dem lyrischen Ich ist.
Das lyrische Ich schätzt seinen Bruder trotz aller Konflikte und zeigt eine Art von Bewunderung und Liebe zu ihm, wenn auch auf eine sarkastische Weise. Selbst wenn es sein eigenes Versagen und seine Ungeschicktheit erkennt, bleibt es bei seiner Kritik und Ironie gegenüber seinem Bruder, was eine gewisse rebellische Haltung und Individualität zeigt.
Das Gedicht ist in vierzeiligen Strophen abgefasst. Die einfache, alltägliche Sprache und der humorvolle, sarkastische Ton machen es zugänglich und unterhaltsam. Trotz der Lockere Sprache und dem Humor betrachtet das Gedicht ernste Themen wie familiäre Beziehungen, Gewalt, soziale Normen und Konformität.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Mein Bruder“ ein gutes Beispiel für den unverwechselbaren Stil von Joachim Ringelnatz ist: es kombiniert Humor und Sarkasmus mit scharfsinniger sozialer Kritik und bietet einen tiefen Einblick in menschliche Beziehungen und gesellschaftliche Normen.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Mein Bruder“ ist Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1928. Der Erscheinungsort ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das 216 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Abglanz“, „Abschied von Renée“ und „Abschiedsworte an Pellka“. Zum Autor des Gedichtes „Mein Bruder“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.
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Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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