Maria von Medicis in Köln von Louise Otto-Peters
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Sie, die einst Fürstin – eine Königin, |
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Nun fern der Heimat – eine Bettlerin! |
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Aus stolzem Mediceer-Blut entsprossen |
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Und Herrscherin auf Frankreichs hohem Thron, |
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Auf dunklem Lockenhaar die goldne Kron’, |
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Vom Purpur wallend die Gestalt umflossen: |
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Das war Maria in vergangner Zeit – |
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Doch jetzt – wo ist die einst’ge Herrlichkeit? |
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Jetzt irrt sie obdachlos von Land zu Lande. |
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Aufschoß der Samen, den sie selbst gesät, |
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Zu blut’ger Ernt’, von blut’ger Hand gemäht, |
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Die ihr gereift zum Fluche und zur Schande. |
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Der eigne Sohn war’s, der sie kalt verstieß – |
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Das ist die Schreckensmacht der Nemesis, |
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Daß sie Verbrechen sühnt stets mit Verbrechen. |
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Die Tyrannei stürzt fremde Tyrannei, |
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Schleppt immer neue Ketten nur herbei, |
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Bis daß ein Volk erstarkt sie zu zerbrechen. |
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Gefangen, wo sie einst Regentin war, |
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Und dann verfolgt, verbannt für immerdar; |
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Aus England und aus Holland selbst vertrieben |
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Betritt sie Köln, die heil’ge Stadt am Rhein; |
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Unwillig schaut der deutsche Bürger drein, |
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Und ist doch treu dem heil’gen Gastrecht blieben. |
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Köln ist der Greisin schützendes Asyl, |
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Doch manchmal wogt ein zürnendes Gewühl |
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Mutwillig höhnend unter ihrem Fenster. |
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Dann flieht erschreckt sie in ihr Schlafgemach – |
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Ein Heil’genbild, ein reuevolles Ach! |
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Soll scheuchen ihrer Thaten Rachgespenster. |
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Da naht ein Julitag, der sie erlöst, |
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Sie betet, daß der Herr sie nicht verstößt, |
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Sie nicht in ihren Sünden läßt verderben; |
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An ihrem Lager steht der Nuntius, |
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Das Totenglöckchen mahnt wie Himmelsgruß, |
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Das heil’ge Oel benetzet sie im Sterben. |
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Ob Frankreich auch die Lebende verstieß, |
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Die Königsleiche fordert doch Paris |
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Und holt sie ein mit königlichen Ehren. |
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Im Kölner Dome blieb allein ihr Herz, |
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In einem Schrein von wohlgegossnem Erz, |
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Noch die Erinnerung an sie zu nähren |
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Drauf eingegraben war ein frommer Spruch – |
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Doch Kölner Bürger nannten’s eitel Lug |
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Und stahlen weg die Tafel von dem Male, |
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Es wagte niemand je sie zu erneun: |
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Ein Volks-Urteil wie Gottes-Urteil scheun |
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War Recht in Köln, der Stadt vom heil’gen Grale. |
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Und trittst Du jetzt in den erhabnen Bau, |
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Fragst nach dem Platz der königlichen Frau, |
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So zeigt man dir in dem Drei-Königs-Chore |
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Die Nägel nur, wo einst die Platte war – |
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Dir graut – als blickte eine Geisterschar |
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Herab vom Gold und Purpur der Empore. |
Details zum Gedicht „Maria von Medicis in Köln“
Louise Otto-Peters
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1860-1870
Realismus
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Maria von Medicis in Köln“ wurde von der deutschen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters verfasst. Sie lebte von 1819 bis 1895 und kann daher dem 19. Jahrhundert zugeordnet werden, ein Zeitalter, das auch als Biedermeier und Vormärz bekannt ist.
Auf den ersten Blick ist das Gedicht eine Biografie von Maria von Medici, einer italienischen Fürstin und Königin von Frankreich, und ihrem Schicksal als Verbannte. Das lyrische Ich erzählt ihre Geschichte und kommentiert die Ereignisse, wobei der Wechsel von Reichtum und Macht zu Verfolgung und Verachtung das zentrale Thema ist.
Inhaltlich dreht sich das Gedicht um das traurige Schicksal von Maria von Medici: einst eine mächtige Königin, die durch die politischen und persönlichen Momente ihres Lebens (Verbrechen, Tyrannei, Rebellion ihres eigenen Sohns) zur Eineingeln Bettlerin und Verbannten wurde, verfolgt von ihrem eigenen Gewissen und den Menschen ihrer Heimatländer. Trotz ihrer Vergangenheit wird sie in Köln aufgenommen, lebt jedoch in ständiger Furcht, bis sie letztendlich in dieser Stadt stirbt. Auch nach ihrem Tod bleibt ihr Image beschädigt, ihre Erinnerung wird verunglimpft und verleugnet.
Formal ist das Gedicht in neun sechsstrophige Strophen unterteilt, was eine sorgfältige und durchdachte Strukturierung anzeigt. Jede Strophe behandelt einen bestimmten Aspekt des Lebens von Maria von Medici, von der Hochzeit über die Ostrazisierung aufgrund ihrer eigenen Taten bis hin zu ihrem Tod und ihren anhaltenden Ruf. Die Sprache ist relativ einfach gehalten, obwohl der Duktus (oder Ton) eher formell ist. Es gibt viele rhetorische Fragen, die den Leser zum Nachdenken anregen, und das gedicht verwendet gelegentlich starke, emotionale Worte und Phrasen, um die Dramatik von Marias Schicksal hervorzuheben.
Insgesamt strebt das lyrische Ich, durch das Erzählen von Marias Geschichte, ein tieferes Verständnis für das Leben, Fehler und Reue, Macht und ihren Missbrauch sowie die sozialen und persönlichen Konsequenzen von Aktionen an. Es handelt sich um eine soziale und moralische Reflexion, die durch das Schicksal einer historischen Figur dargestellt wird.
Weitere Informationen
Louise Otto-Peters ist die Autorin des Gedichtes „Maria von Medicis in Köln“. 1819 wurde Otto-Peters in Meißen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1870 entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 364 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 54 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Die Gedichte „Am Schluß des Jahres 1849“, „Am längsten Tage“ und „An Alfred Meißner“ sind weitere Werke der Autorin Louise Otto-Peters. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Maria von Medicis in Köln“ weitere 106 Gedichte vor.
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Zum Autor Louise Otto-Peters sind auf abi-pur.de 106 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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