Maria Stuart’s Weihe von Theodor Fontane
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Schloß Holyrood ist öd’ und still, |
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Der Nachtwind nur durchpfeift es schrill, |
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Es klirrt kein Sporn in Hof und Hall’, |
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Nur finstres Schweigen überall. |
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Da plötzlich schwebt, in luftgem Gang, |
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Ein hohes Weib die Hall’ entlang: |
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Ihr klares Aug’ strahlt ewig-jung |
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Vom Feuer der Begeisterung. |
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Zu Häupten ihr glüht Sternenschein, |
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Ihr Haar ist Gold, – wer mag sie sein? |
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Sie kommt, und bringt ihr Angebind |
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Im Saale drin dem Königskind. |
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Das Königskind das heißt Marie, |
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Sie aber ist die Poesie; |
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Die neiget jetzt zur Wiege sich, |
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Und flüstert ernst: „ich weihe Dich!“ |
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Sie flüstert’s kaum, da – still und stumm |
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Entschwebet schon sie wiederum, |
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Und lachend schlüpfen lust’ge Zwei |
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Jetzt in die Thür, an ihr vorbei. |
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Die Eine strotzt von buntem Tand, |
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Ein Spiegel blitzt in ihrer Hand, |
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Bald schaut sie sich und bald ihr Kleid, |
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Das war die Dirne „Eitelkeit“. |
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Die Andre frech und üppig gar, |
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Trägt langes aufgelöstes Haar, |
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Ihr Aug’ ist schwarz, nackt ihre Brust, |
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Das war die Dirne „Sinnenlust“. |
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Sie neigen beid’ zur Wiege sich, |
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Und kichern hell: „wir weihen Dich!“ |
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Da huscht, – und ihre Wang’ erblasst, |
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Rasch in den Saal ein dritter Gast. |
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Wie Schatten schleicht er an der Wand, |
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Sein Kleid ist roth, roth seine Hand, |
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Er schaut sich um, sein Auge sticht, |
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Und messerscharf ist sein Gesicht. |
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Er neigt sich jetzt, und spricht das Wort: |
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„Ich weihe Dich zu Blut und Mord!“ |
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Aufschreit im Schlaf das Königskind, |
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Und heller draußen pfeift der Wind. |
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Der Gast ist fort, doch her und hin |
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Wirft banger Traum die Schläferin, |
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Geweiht für’s Leben schlummert sie |
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Die schöne, schottische Marie. |
Details zum Gedicht „Maria Stuart’s Weihe“
Theodor Fontane
11
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263
1851
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Maria Stuart's Weihe“ ist von dem berühmten deutschen Schriftsteller Theodor Fontane. Er lebte von 1819 bis 1898 und war somit ein wichtiger Vertreter der Literatur des Realismus.
Beim ersten Lesen dieses Gedichts fällt eine gewisse Dunkelheit und Schwerfälligkeit auf, die durch die Beschreibung von Schloss Holyrood und der nächtlichen Szenerie gegeben wird. Es erzeugt eine Stimmung von Leere und Ruhe, die durch das schrille Pfeifen des Nachtwindes unterbrochen wird.
Im Gedicht geht es um die schottische Königin Marie Stuart, die von drei verschiedenen Gestalten - der Poesie, der Eitelkeit und der Sinnenlust - im Schlaf besucht und jeweils geweiht wird. Jede Figur repräsentiert verschiedene Aspekte ihres Lebens und symbolisiert zugleich die Eigenschaften, die ihre Herrschaft und ihr Leben bestimmen werden. Die Gestalt der Poesie repräsentiert ihre Inspiration und ihre Schönheit, während die Eitelkeit und Sinnenlust ihre Überfluss und Freude am Leben, aber auch ihre Narzissmus und sinnliche Begierden symbolisieren. Eine vierte Gestalt - ein schattenhafter rothändiger Mann - weist auf ein dunkleres Schicksal hin: Mord und Tod.
Das lyrische Ich, wahrscheinlich eine stille Beobachterin, vermittelt eine gespenstische und düstere Atmosphäre, während sie das Geschehen erzählt und interpretiert.
Formal besteht das Gedicht aus elf Strophen mit je vier Versen. Die Sprache ist recht schlicht mit klaren und eindeutigen Aussagen, aber mit starken bildlichen Ausdrücken. Fontane nutzt symbolische Elemente und Metaphern, um den Charakter und das Schicksal der Königin zu umreißen. Zum Beispiel steht das „klares Aug’“ der Poesie für Weisheit und Klarheit, „ihr Haar ist Gold“ steht für Königlichkeit und Würde, und „ihr Angebind“ kann eine Allegorie auf Maria Stuarts Leben sein.
Insgesamt liefert dieses Gedicht einen spannenden und tiefgründigen Einblick in das Leben und Schicksal von Maria Stuart. Mit seiner einprägsamen Sprache und seine visuelle Darstellung gelingt es Fontane, ein faszinierendes Porträt der umstrittenen Königin zu zeichnen.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Maria Stuart’s Weihe“ des Autors Theodor Fontane. Im Jahr 1819 wurde Fontane in Neuruppin geboren. 1851 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Fontane handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 11 Strophen und umfasst dabei 263 Worte. Weitere Werke des Dichters Theodor Fontane sind „An Bettina“, „An Emilie“ und „An Lischen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Maria Stuart’s Weihe“ weitere 214 Gedichte vor.
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