Maria Antoinette von Heinrich Heine
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Wie heiter im Tuilerienschloß |
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Blinken die Spiegelfenster, |
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Und dennoch dort am hellen Tag |
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Gehn um die alten Gespenster. |
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Es spukt im Pavillon de Flor’ |
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Maria Antoinette; |
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Sie hält dort Morgens ihr Lever |
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Mit strenger Etiquette. |
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Geputzte Hofdamen. Die meisten stehn, |
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Auf Tabourets andre sitzen; |
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Die Kleider von Atlas und Goldbrokat, |
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Behängt mit Juwelen und Spitzen. |
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Die Taille ist schmal, der Reifrock bauscht, |
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Darunter lauschen die netten |
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Hochhackigen Füßchen so klug hervor – |
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Ach, wenn sie nur Köpfe hätten! |
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Sie haben alle keinen Kopf, |
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Der Königin selbst manquiret |
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Der Kopf, und Ihro Majestät |
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Ist deshalb nicht frisiret. |
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Ja, Sie, die mit thurmhohem Toupet |
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So stolz sich konnte gebahren, |
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Die Tochter Maria Theresia’s, |
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Die Enkelin deutscher Cäsaren, |
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Sie muß jetzt spuken ohne Frisur |
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Und ohne Kopf, im Kreise |
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Von unfrisirten Edelfrau’n, |
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Die kopflos gleicherweise. |
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Das sind die Folgen der Revolution |
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Und ihrer fatalen Doctrine; |
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An Allem ist Schuld Jean Jaques Rousseau, |
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Voltaire und die Guillotine. |
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Doch sonderbar! es dünkt mich schier, |
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Als hätten die armen Geschöpfe |
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Gar nicht bemerkt, wie todt sie sind |
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Und daß sie verloren die Köpfe. |
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Ein leeres Gespreize, ganz wie sonst, |
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Ein abgeschmacktes Scherwenzen – |
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Possirlich sind und schauderhaft |
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Die kopflosen Reverenzen. |
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Es knixt die erste Dame d’atour |
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Und bringt ein Hemd von Linnen; |
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Die zweite reicht es der Königin |
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Und beide knixen von hinnen. |
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Die dritte Dam’ und die vierte Dam’ |
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Knixen und niederknieen |
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Vor Ihrer Majestät, um Ihr |
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Die Strümpfe anzuziehen. |
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Ein Ehrenfräulein kommt und knixt |
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Und bringt das Morgenjäckchen; |
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Ein andres Fräulein knixt und bringt |
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Der Königin Unterröckchen. |
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Die Oberhofmeisterin steht dabei, |
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Sie fächert die Brust, die weiße, |
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Und in Ermanglung eines Kopfs |
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Lächelt sie mit dem Steiße. |
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Wohl durch die verhängten Fenster wirft |
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Die Sonne neugierige Blicke, |
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Doch wie sie gewahrt den alten Spuk, |
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Prallt sie erschrocken zurücke. |
Details zum Gedicht „Maria Antoinette“
Heinrich Heine
15
60
295
1851
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Maria Antoinette“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Heine. Heine wurde im Jahr 1797 in Düsseldorf geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1851 entstanden. Der Erscheinungsort ist Hamburg. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Der Schriftsteller Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 15 Strophen und umfasst dabei 295 Worte. Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Ach, ich sehne mich nach Thränen“, „Ach, wenn ich nur der Schemel wär’“ und „Ahnung“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Maria Antoinette“ weitere 529 Gedichte vor.
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