Marasmus von Frank Wedekind

Nicht einmal ein Gedicht gelingt mir mehr,
Geschweige denn ein Mensch. Mein Hirn ist leer,
Und meine Eingeweide sind so trocken,
Daß meine Dünste keine Kuh mehr locken.
 
’s ist leichter, einen Menschen machen als
Ein Klappenhorn; der Mensch braucht jedenfalls
Weit wen’ger Zeit, damit er richtig sitze;
Jedoch erheischt ein Klapphornvers mehr Grütze.
 
Ein Seitenblick, des Bettes Planke kracht,
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Das Weib seufzt auf, dann ist ein Mensch gemacht.
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Um ein Gedicht auch kindlich nur zu stammeln,
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Muß man oft stundenlang mit Muse rammeln.
 
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Was besser ist? – Die Antwort wird mir schwer.
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Ich mache weder Kind noch Klapphorn mehr.
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So ruhen unbenutzt die höchsten Güter
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Und werden beide alte Ladenhüter.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Marasmus“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
111
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Marasmus“ wurde von Frank Wedekind geschrieben, einem deutschen Dramatiker und Lyriker, der von 1864 bis 1918 lebte. Dies legt nahe, dass das Gedicht in die Epoche des Naturalismus oder der frühen Moderne einzuordnen ist.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht humorvoll und sarkastisch, da der Sprecher auf eine eher komische Weise seinen Frustrationen Ausdruck verleiht. Das Thema scheint Kreativitätsverlust und Alter zu sein, und es wird ein Gefühl der Resignation vermittelt.

Nach einer sorgfältigeren Lektüre zeigt das Gedicht ein lyrisches Ich, das sich über seine Unfähigkeit beklagt, zu schreiben oder produktiv zu sein. Der Sprecher vergleicht die Schaffung eines Menschen (Kindes) und die Schaffung eines Gedichts und empfindet beides gleichermaßen schwierig bzw. sogar unmöglich. Er spricht von seiner geistigen Leere und scheint sowohl seine Kreativität als auch seine virile Kraft verloren zu haben - daher wohl der Titel „Marasmus“, der eine Form von Protein-Energie-Mangelernährung bezeichnet und als Metapher für geistige und körperliche Auszehrung interpretiert werden kann.

In der letzten Strophe drückt das lyrische Ich seine Gleichgültigkeit gegenüber der Frage aus, was besser ist - ein Kind zu zeugen oder ein Gedicht zu schreiben. Es sagt, es würde keines von beiden mehr tun. Dies könnte als Ausdruck von Niedergeschlagenheit, Resignation oder bitterer Ironie interpretiert werden, aber auch als kritischer Kommentar zu dem hohen Wert, den die Gesellschaft auf Produktivität legt.

Das Gedicht hat eine klare Struktur im Rhythmus und Reim. Jede der vier Strophen besteht aus vier Versen, und es folgt ein Reimschema von ABAB. Die Sprache ist umgangssprachlich und bildhaft, mit einigen humorvollen und sarkastischen Ausdrücken. Besonders auffallend ist der Gebrauch von körperlichen und sexuellen Metaphern, welche sowohl grotesk als auch tragikomisch wirken. Im Großen und Ganzen verleiht die Form und Sprache dem Gedicht seinen humorvollen und sarkastischen Ton und unterstreicht die resignative Haltung des lyrischen Ichs.

Weitere Informationen

Frank Wedekind ist der Autor des Gedichtes „Marasmus“. Geboren wurde Wedekind im Jahr 1864 in Hannover. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1905 zurück. Der Erscheinungsort ist München. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Bei dem Schriftsteller Wedekind handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 111 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere Werke des Dichters Frank Wedekind sind „An Berta Maria, Typus Gräfin Potocka“, „An Bruno“ und „An Elka“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Marasmus“ weitere 114 Gedichte vor.

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