Macht der Liebe von Johann Gottfried Herder

Nach dem Spanischen.

Liebe wechselt Berg und Thale,
Machet Höhn und Tiefen gleich,
Diese Flur zum Göttersaale,
Jenen Hain zu Paphos Reich.
Wer geliebet wird und liebte,
Schäfer oder Schäferinn,
König dünkt sich der Geliebte,
Die Geliebte Königinn.
 
Welch ein Ton von zarten Saiten
10 
Singet meinen Tönen nach?
11 
Sind es Geister? Sie begleiten
12 
Mich mit ihrem Wunsch und Ach.
13 
„Warum wurden wir betrübet?
14 
Fühleten wir nicht mit Euch?
15 
Liebt, so werdet ihr geliebet,
16 
Gleichgefühl ist Gottes Reich“.
 
17 
Steiget nieder zu dem Thale,
18 
Kalte Höhen, dürr’ und reich.
19 
Macht die Flur zum Göttersaale,
20 
Gebet und genießt zugleich.
21 
Liebe kränzet nur mit Myrthen;
22 
Doch im seligsten Gewinn
23 
Wird der König gern zum Hirten,
24 
Die Sultane Schäferinn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Macht der Liebe“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
111
Entstehungsjahr
1797
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Macht der Liebe“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem bedeutenden Dichter der Aufklärung und Sturm und Drang, der in Deutschland von 1744 bis 1803 lebte.

Der erste Eindruck des Gedichts ist geprägt von sanften Naturbildern und starkem Ausdruck der Emotionen. Herder nutzt die Metapher der Natur, um die Fähigkeit der Liebe zu beschreiben, Wahrnehmungen und Empfindungen zu verändern („Liebe wechselt Berg und Thale, Machet Höhn und Tiefen gleich“).

Der Inhalt des Gedichts dreht sich um die Erhabenheit und Macht der Liebe. Im ersten Teil betont das lyrische Ich, dass die Liebe jeden Ort, sei es ein Tal oder ein Hain, in einen göttlichen Raum verwandelt. Zudem hebt er hervor, dass die Person, die Liebe empfängt und gibt, sich wie ein König oder eine Königin fühlt. Im zweiten Teil des Gedichts kommt das Echo anderer Stimmen hinzu, die ihre Sehnsucht und ihr Leid teilen. Sie betonen die Wichtigkeit der Liebe und die Tatsache, dass Mitgefühl Teil des Reichs Gottes ist. Der letzte Abschnitt fordert die kalten und trostlosen Höhen auf, herabzusteigen und die Flur zum Göttersaal zu machen. Es beschreibt weiterhin, dass die Liebe nur mit Myrthen krönt und selbst bei größtem Glück zum Tausch der Rollen bereit ist - der König wird zum Hirten und die Königin zur Schäferin.

Auf formaler Ebene besteht das Gedicht aus drei Strophen mit jeweils acht Versen. Die Sprache ist hochpoetisch und von einer altertümlichen Schönheit, die typisch für die Zeit der Aufklärung und des Sturm und Drang ist. Das Gedicht enthält zahlreiche Metaphern und poetische Bilder, die tiefe emotionale Zustände und komplexe Konzepte wie die Macht der Liebe und die Vereinigung von Himmel und Erde durch Liebe darstellen.

Insgesamt ist das Gedicht eine Ode an die Macht der Liebe und ihre Fähigkeit, Wahrnehmungen und Empfindungen zu verändern, Höhen abzusenken, Tiefen anzuheben und irdische Orte in göttliche Räume zu verwandeln. Es betont auch die Wichtigkeit der Liebe und des Mitgefühls als göttliche Prinzipien. Es stellt die Liebe als eine Kraft dar, die sowohl erhebt als auch demütigt, aber immer bereichert und verschönert.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Macht der Liebe“ des Autors Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Im Jahr 1797 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Tübingen. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Der Literaturepoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Zwei sich deutlich unterscheidende Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist im Grund genommen eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und endete mit dem Tod von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1832. Die Weimarer Klassik wird häufig nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen werden in der Literatur genutzt. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Weimarer Klassik nach Harmonie, Vollkommenheit, Humanität und der Übereinstimmung von Form und Inhalt gesucht. In der Lyrik haben die Dichter auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Beispielsweise war so die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders geschätzt. Außerdem verwendeten die Dichter eine pathetische, gehobene Sprache. Die Hauptvertreter der Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Goethe und Schiller.

Das 111 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „An die Freundschaft“, „Apollo“ und „Bilder und Träume“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Macht der Liebe“ weitere 413 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Gottfried Herder

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Gottfried Herder und seinem Gedicht „Macht der Liebe“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder (Infos zum Autor)

Zum Autor Johann Gottfried Herder sind auf abi-pur.de 413 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.