Lyde von Johann Wolfgang von Goethe
Eine Erzählung
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Euer Beyfall macht mich freyer, |
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Mädgen, hört ein neues Lied. |
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Doch verzeyht, wenn meine Leyer |
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Nicht von jenem heil’gen Feuer |
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Der geweyhten Dichter glüht. |
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Hört von mir, was wenig wissen, |
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Hört’s, und denket nach dabey: |
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Daß, wenn zwey sich zärtlich küssen, |
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Gern sich sehn, und ungern missen, |
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Es nicht stets aus Liebe sey. |
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Lyde brannt’ von einem Blikke |
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Für Aminen, er für sie; |
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Doch ein wiedriges Geschikke |
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Hinderte noch beyder Glükke, |
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Ihre Aeltern schliefen nie. |
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Wachsamkeit wird euch nichts taugen, |
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Wenn die Töchter unser sind; |
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Aeltern habet hundert Augen, |
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Mädgen, wenn sie List gebrauchen, |
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Machen hundert Augen blind. |
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Listig hoft sie eine Stunde |
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Ihre Wächter los zu seyn. |
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Endlich kommt die Schäferstunde, |
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Und von ihrem heissen Munde |
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Saugt Amin die Wollust ein. |
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So genoß entfernt vom Neide |
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Er noch manchen süssen Kuß. |
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Doch er ward so vieler Beute |
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Ueberdrüssig. Jede Freude |
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Endigt sich mit dem Genuß. |
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Ist wohl bey des Blutes Wallen, |
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Denkt er immer Liebe da? |
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Liebt sie mich denn wohl vor allen? |
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Oder hab ich ihr gefallen? |
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Weil sie mich am ersten sah? |
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Einst spricht er, dieß auszuspüren: |
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Ach, wie quält mein Vater mich! |
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Fern soll ich die Heerde führen - |
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Himmel! Dich soll ich verlieren! |
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Ha! Das Leben eh’r als dich. |
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Liebste, nein, ich komme wieder, |
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Doch, der beste Freund von mir, |
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[Hier sah sie zur Erde nieder] |
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Singet angenehme Lieder, |
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Diesen Freund, den laß ich dir. |
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Lyde denkt an keine Tükke, |
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Weint, und geht es weinend ein. |
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Ungern flieht Amin sein Glükke, |
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Listig bleibt der Freund zurükke, |
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Oft ist er mit ihr allein. |
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Viel singt er von Glut und Liebe, |
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Sie wird feurig, er wird kühn. |
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Sie empfindet neue Triebe, |
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Und Gelegenheit macht Diebe. |
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Endlich - Gute Nacht, Amin. |
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Kinder, seht, da müsst ihr wachen, |
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Euch vom Irrthum zu befreyn. |
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Glaubet nie den Schein der Sachen, |
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Sucht euch ja gewiß zu machen, |
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Eh’ ihr glaubt geliebt zu seyn. |
Details zum Gedicht „Lyde“
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60
315
1767
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Johann Wolfgang von Goethe ist der Autor des Gedichtes „Lyde“. Der Autor Johann Wolfgang von Goethe wurde 1749 in Frankfurt am Main geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1767. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. Der Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Die Autoren der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Mit seinen beiden wichtigen Vertretern Goethe und Schiller entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.
Die Weimarer Klassik war geprägt durch die Französische Revolution mit ihren Forderungen nach Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Der Kampf um eine Verfassung, die revolutionäre Diktatur unter Robespierre und der darauffolgende Bonapartismus führten zu den Grundstrukturen des 19. Jahrhundert (Nationalismus, Liberalismus und Imperialismus). Die Literaturepoche der Weimarer Klassik lässt sich zeitlich mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und mit Goethes Tod 1832 eingrenzen. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. Der Begriff Humanität ist von zentraler Bedeutung für die Zeit der Weimarer Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Harmonie, Selbstbestimmung, Menschlichkeit, Toleranz und die Schönheit. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik typisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die bekanntesten Schriftsteller der Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Andere Schriftsteller der Klassik sind Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Die beiden zuletzt genannten arbeiteten jeweils für sich. Einen produktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.
Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 12 Strophen und umfasst dabei 315 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe sind „Am 1. October 1797“, „Amytnas“ und „An Annetten“. Zum Autor des Gedichtes „Lyde“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1612 Gedichte veröffentlicht.
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Weitere Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe (Infos zum Autor)
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- Am 1. October 1797
- Amytnas
- An Annetten
- An Belinden
- An Lida
- An den Mond
- An den Schlaf
- An den Selbstherscher
- An die Entfernte
Zum Autor Johann Wolfgang von Goethe sind auf abi-pur.de 1612 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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