Lobgesänge auf König Ludwig von Heinrich Heine
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Das ist Herr Ludwig von Baierland, |
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Desgleichen giebt es wenig; |
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Das Volk der Bavaren verehrt in ihm |
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Den angestammelten König. |
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Er liebt die Kunst, und die schönsten Frau’n |
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Die lässt er portraitiren; |
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Er geht in diesem gemalten Serail |
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Als Kunst-Eunuch spazieren. |
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Bei Regensburg lässt er erbau’n |
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Eine marmorne Schädelstätte, |
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Und er hat höchstselbst für jeden Kopf |
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Verfertigt die Etikette. |
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»Wallhallagenossen,« ein Meisterwerk, |
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Worin er jedweden Mannes |
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Verdienste, Charakter und Thaten gerühmt, |
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Von Teut bis Schinderhannes. |
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Nur Luther, der Dickkopf, fehlt in Wallhall, |
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Und es feiert ihn nicht der Wallhall-Wisch; |
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In Naturaliensammlungen fehlt |
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Oft unter den Fischen der Wallfisch. |
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Herr Ludwig ist ein grosser Poet, |
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Und singt er, so stürzt Apollo |
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Vor ihm auf die Kniee und bittet und fleht: |
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Halt ein! ich werde sonst toll, O! |
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Herr Ludwig ist ein muthiger Held, |
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Wie Otto, das Kind, sein Söhnchen; |
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Der kriegte den Durchfall zu Athen, |
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Und hat dort besudelt sein Thrönchen. |
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Stirbt einst Herr Ludwig, so kanonisirt |
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Zu Rom ihn der heilige Vater – |
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Die Glorie passt für ein solches Gesicht |
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Wie Manchetten für unseren Kater! |
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Sobald auch die Affen und Känguruhs |
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Zum Christenthum sich bekehren, |
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Sie werden gewiss Sankt Ludewig |
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Als Schutzpatron verehren. |
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II. |
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Herr Ludewig von Baierland, |
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Sprach seufzend zu sich selber: |
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Der Sommer weicht, der Winter naht, |
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Das Laub wird immer gelber. |
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Der Schelling und der Cornelius, |
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Sie mögen von dannen wandern; |
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Dem Einen erlosch im Kopf die Vernunft, |
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Die Phantasie dem Andern. |
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Doch dass man aus meiner Krone stahl |
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Die beste Perle, dass man |
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Mir meinen Turnkunstmeister geraubt, |
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Das Menschenjuwel, den Massmann – |
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Das hat mich gebeugt, das hat mich geknickt, |
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Das hat mir die Seele zerschmettert: |
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Mir fehlt jetzt der Mann, der in seiner Kunst, |
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Den höchsten Pfahl erklettert! |
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Ich sehe die kurzen Beinchen nicht mehr, |
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Nicht mehr die platte Nase; |
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Er schlug wie ein Pudel frisch-fromm-fröhlich-frei, |
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Die Purzelbäume im Grase. |
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Nur altdeutsch verstand er, der Patriot, |
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Nur Jacob-Grimmisch und Zeunisch; |
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Fremdwörter blieben ihm immer fremd, |
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Griechisch zumal und lateinisch. |
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Er hat, ein vaterländisch Gemüth, |
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Nur Eichelkaffee getrunken, |
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Franzosen frass er und Limburger Käs’, |
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Nach letzterm hat er gestunken. |
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O Schwager! gieb mir den Massmann zurück! |
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Denn unter den Gesichtern, |
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Ist sein Gesicht, was ich selber bin, |
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Als Dichter unter den Dichtern. |
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O Schwager! behalt’ den Cornelius, |
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Auch Schelling, (dass du den Rückert |
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Behalten kannst, versteht sich von selbst) – |
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Wenn nur der Massmann zurückkehrt! |
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O, Schwager! begnüge Dich mit dem Ruhm, |
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Dass du mich verdunkelt heute; |
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Ich, der in Deutschland der erste war, |
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Ich bin nur noch der zweite... |
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III. |
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Zu München in der Schlosskapell |
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Steht eine schöne Madonne; |
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Sie trägt in den Armen ihr Jesulein, |
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Der Welt und des Himmels Wonne. |
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Als Ludewig von Baierland |
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Das Heiligenbild erblicket, |
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Da kniete er nieder andachtsvoll |
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Und stotterte selig verzücket: |
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»Maria, Himmelskönigin, |
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Du Fürstin sonder Mängel! |
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Aus Heil’gen besteht dein Hofgesind |
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Und deine Diener sind Engel. |
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«Geflügelte Pagen warten Dir auf, |
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Sie flechten dir Blumen und Bänder |
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In’s goldene Haar, sie tragen dir nach |
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Die Schleppe deiner Gewänder. |
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«Maria, reiner Morgenstern, |
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Du Lilie sonder Makel, |
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Du hast so manches Wunder gethan, |
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So manches fromme Mirakel – |
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«O, lass aus deiner Gnaden Born, |
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Auch mir ein Tröpflein gleiten! |
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Gieb mir ein Zeichen deiner Huld, |
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Der hochgebenedeiten!» – |
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Die Muttergottes bewegt sich alsbald, |
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Sichtbar bewegt sich ihr Mündchen, |
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Sie schüttelt ungeduldig das Haupt |
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Und spricht zu ihrem Kindchen: |
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«Es ist ein Glück, dass ich auf dem Arm |
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Dich trage und nicht mehr im Bauche, |
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Ein Glück, dass ich vor dem Verseh’n, |
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Mich nicht mehr zu fürchten brauche. |
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«Hätt’ ich in meiner Schwangerschaft |
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Erblickt den hässlichen Thoren, |
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Ich hätte gewiss einen Wechselbalg |
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Statt eines Gottes geboren.» |
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Details zum Gedicht „Lobgesänge auf König Ludwig“
Heinrich Heine
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1844
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Lobgesänge auf König Ludwig“ wurde verfasst von Heinrich Heine, einem bedeutenden Dichter und Schriftsteller der deutschen Romantik, der von 1797 bis 1856 lebte. Es ist daher in das 19. Jahrhundert einzuordnen, einer Zeit, welche historisch von tiefgreifenden Veränderungen und politischen Umwälzungen geprägt war.
Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht satirisch und teils sarkastisch, da es auf humorvolle Weise das Leben und den Charakter von König Ludwig beschreibt und kritisiert.
Inhaltlich thematisiert das Gedicht König Ludwig von Bayern, seine Vorlieben, seine Ängste und die Schwächen seiner Persönlichkeit. So wird beispielsweise seine Liebe zur Kunst, sein pompöser Lebensstil und seine Eitelkeit betont. Heine stellt den König dabei als verschroben und exzentrisch dar. Gedichte von Heine zeichnen sich oft durch einen subtilen Humor aus, der auch in diesem Gedicht zu finden ist: Verschiedene Anekdoten über Ludwigs Leben werden überspitzt und auf scherzhafte Art und Weise dargestellt. Zugleich wird allerdings auch eine soziale und politische Kritik deutlich.
Die Aussagen des lyrischen Ichs scheinen darauf abzuzielen, die Absurdität der monarchischen Herrschaft des Königs zu unterstreichen und gleichzeitig soziale Ungerechtigkeiten zu kritisieren. Dabei spielt Heine auch geschickt mit der Verehrung von Ludwig als „Schutzpatron“ und dessen möglicher Kanonisierung durch den Papst, um die Ironie der Situation zu betonen.
Der Aufbau des Gedichts ist klar strukturiert, wobei jede der 33 Strophen aus vier Versen besteht, mit Ausnahme der letzten drei Strophen, die jeweils nur einen oder fünf Verse enthalten. Die Verse sind in gereimten Paaren miteinander verbunden.
Heines Sprache ist einfach, klar und präzise, und es zeichnet sich ein deutlicher Rhythmus ab, der das Lesen gut fließen lässt. Es lassen sich sowohl Mittel der Ironie und Satire finden, als auch Elemente der Direktheit und Konfrontation, welche die Sozial- und Gesellschaftskritik des Gedichts unterstützen.
Insgesamt kann das Gedicht als kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, der Monarchie und speziell der Person König Ludwigs gelesen werden. Heine nutzt dabei eine humorvolle und ironische Sprache, um seine Kritik auf unterhaltsame Art und Weise zu vermitteln.
Weitere Informationen
Heinrich Heine ist der Autor des Gedichtes „Lobgesänge auf König Ludwig“. 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1844. Der Erscheinungsort ist Paris. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Der Schriftsteller Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 117 Versen mit insgesamt 32 Strophen und umfasst dabei 596 Worte. Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Ahnung“, „Allnächtlich im Traume seh’ ich dich“ und „Almansor“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Lobgesänge auf König Ludwig“ weitere 535 Gedichte vor.
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