Lied vom Meer von Rainer Maria Rilke
Capri. Piccola Marina
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Uraltes Wehn vom Meer, |
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Meerwind bei Nacht: |
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du kommst zu keinem her; |
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wenn einer wacht, |
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so muß er sehn, wie er |
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dich übersteht: |
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uraltes Wehn vom Meer, |
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welches weht |
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nur wie für Urgestein, |
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lauter Raum |
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reißend von weit herein. |
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O wie fühlt dich ein |
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treibender Feigenbaum |
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oben im Mondschein. |
Details zum Gedicht „Lied vom Meer“
Rainer Maria Rilke
2
14
49
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Lied vom Meer“ stammt von Rainer Maria Rilke, der von 1875 bis 1926 lebte. Angesichts dieser Lebensdaten lässt sich das Gedicht in die Epoche des Expressionismus einordnen, wobei Rilke ein Dichter ist, der nicht streng einer literarischen Bewegung zugeordnet werden kann.
Betrachtet man das Gedicht, fällt zunächst die bedeutsame Rolle auf, die dem Meer und insbesondere dem Meereswind zukommt. Das lyrische Ich spricht von einem „uralten Wehn“ und verleiht dem Wind durch diese Bezeichnung eine zeitlose, archaische Qualität. In den ersten Versen wird eine Szenerie geschaffen, in der das lyrische Ich einsam in der Nacht wacht und mit diesem mächtigen Element konfrontiert ist. Man kann hierbei eine Auseinandersetzung mit der Naturgewalt und der eigenen Endlichkeit als Mensch sehen.
Inhaltlich geht es in dem Gedicht um das Erleben und Aushalten der Naturgewalten des Meeres, die in diesem Fall durch den Wind repräsentiert werden. Dieses Wehen ist ein ewiges, niemals endendes Phänomen, das nur das starre, unvergängliche Urgestein verkraften kann. Der Wind kommt von weit her, reißend und allumfassend - so als wäre er der Inbegriff von Freiheit und Wildheit. Dennoch hält das lyrische Ich stand und widersteht dem Wind – vielleicht ein Symbol für persönliche Stärke und Durchhaltevermögen angesichts großen Drucks oder Herausforderungen.
In der zweiten Strophe wird das lyrische Ich durch den „treibenden Feigenbaum“ im Mondschein ersetzt. Dieser Baum scheint in der Stille der Nacht von der Meeresbrise bewegt zu werden, was einen friedlicheren Eindruck vermittelt als die vorherige, heftige Auseinandersetzung mit dem Wind.
Formal besteht das Gedicht aus zwei unterschiedlich langen Strophen, die im freien Vers geschrieben sind, das heißt ohne einen festen Rhythmus oder Reim. Die Sprache des Gedichts ist schlicht, aber eindringlich und wird durch bildhafte Metaphern wie das „uralte Wehn“ und den „reißenden Raum“ bereichert. Die Reduzierung auf wenige, aber aussagekräftige Bilder ist typisch für Rilkes dichterischen Stil und trägt zur emotionalen Intensität des Gedichts bei.
Zusammenfassend ist „Lied vom Meer“ ein eindringliches Gedicht, das die menschliche Auseinandersetzung mit den ewigen und übermächtigen Naturkräften thematisiert. Es lädt dazu ein, über die eigene Vergänglichkeit und den Umgang mit Herausforderungen nachzudenken.
Weitere Informationen
Rainer Maria Rilke ist der Autor des Gedichtes „Lied vom Meer“. Der Autor Rainer Maria Rilke wurde 1875 in Prag geboren. 1918 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 49 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Die Gedichte „Abend“, „Abend“ und „Abend in Skaane“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Lied vom Meer“ weitere 338 Gedichte vor.
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