Lied eines Gefangenen von Johann Gottfried Herder
Eine Spanische Romanze.
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Wohl ist nun der schöne Maimond, |
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Da die Lüftchen wehn im Thal, |
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Da die Lerche lieblich singet, |
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Lieblich singt die Nachtigall. |
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Da sich Treugeliebte wieder |
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Neu dem Dienst der Liebe weihn; |
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Und ich armer sitz’ im Kerker, |
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Sitze traurig und allein, |
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Weiß nicht, wenn es draußen taget, |
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Weiß nicht, wenn die Nacht bricht an; |
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Einst noch kam ein Vöglein droben, |
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Und sang mir den Morgen an. |
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Aber ach! ein böser Schütze |
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Schoß es – lohn’ ihm Gott dafür! |
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Ach, die Haare meines Hauptes |
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Reichen fast zur Ferse mir. |
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Und die Haare meines Kinnes |
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Könnten wohl mein Tischtuch seyn, |
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Und die Nägel meiner Finger |
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Mir ein scharfes Messer seyn. |
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Ist es so des Königs Wille – |
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Nun er ist mein hoher Herr! |
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Aber thuts der Kerkermeister, |
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Ist er ein Abscheulicher. |
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O! daß Jemand mir mein Vöglein |
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Wiedergäbe! Wär’s ein Staar, |
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Der hier mit mir schwatzen könnte, |
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Oder eine Nachtigall, |
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Wär’s ein Voglein, das die Damen |
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Zu bedienen willig wär’, |
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Zu Lenoren, meiner Lieben, |
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Trüg’ es Botschaft hin und her, |
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Brächte mir von ihr gefüllte |
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Speisen, nicht mit Salm gefüllt, |
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Eine Feil und eine Pfrieme |
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Wäre drinnen wohl verhüllt. |
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Eine Feile für die Fessel, |
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Eine Pfrieme für das Schloß. – |
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Also sang er in dem Kerker, |
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Und der König hört’ am Kerker, |
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Und gab den Gefangnen los. |
Details zum Gedicht „Lied eines Gefangenen“
Johann Gottfried Herder
10
41
214
1796
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Lied eines Gefangenen“ ist Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. 1796 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Neustrelitz. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von 1765 bis 1790 und wird häufig auch zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Die Epoche des Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. Der Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich darüber hinaus auch gegen das Bürgertum, das als freudlos und eng galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde insbesondere darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Goethe, Schiller und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.
Richtungsweisend für die Literatur der Weimarer Klassik war die Französische Revolution. Menschen setzten sich dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Der Beginn der Weimarer Klassik ist im Jahr 1786 auszumachen. Die Literaturepoche endete im Jahr 1832 mit dem Tod Goethes. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. Die Klassik orientiert sich an traditionellen Vorbildern aus der Antike. Sie strebt nach Harmonie ganz im Gegensatz zur Epoche der Aufklärung und des Sturm und Drangs. In der Lyrik haben die Dichter auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Beispielsweise war so die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders populär. Des Weiteren verwendeten die Autoren eine gehobene, pathetische Sprache. Goethe, Schiller, Wieland und Herder bildeten das „Viergestirn“ der Klassik. Es gab natürlich auch noch weitere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.
Das Gedicht besteht aus 41 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 214 Worte. Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Bilder und Träume“, „Das Flüchtigste“ und „Das Gesetz der Welten im Menschen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Lied eines Gefangenen“ weitere 412 Gedichte vor.
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