Lied des Lebens von Johann Gottfried Herder
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Flüchtiger als Wind und Welle |
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Flieht die Zeit; was hält sie auf? |
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Sie genießen auf der Stelle, |
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Sie ergreifen schnell im Lauf; |
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Das, ihr Brüder, hält ihr Schweben, |
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Hält die Flucht der Tage ein. |
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Schneller Gang ist unser Leben, |
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Laßt uns Rosen auf ihn streun. |
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Rosen; denn die Tage sinken |
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In des Winters Nebelmeer. |
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Rosen; denn sie blühn und blinken |
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Links und rechts noch um uns her. |
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Rosen stehn auf jedem Zweige |
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Jeder schönen Jugendthat. |
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Wohl ihm, der bis auf die Neige |
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Rein gelebt sein Leben hat. |
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Tage, werdet uns zum Kranze, |
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Der des Greises Schläf' umzieht |
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Und um sie in frischem Glanze |
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Wie ein Traum der Jugend blüht. |
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Auch die dunkeln Blumen kühlen |
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Uns mit Ruhe, doppelt-süß; |
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Und die lauen Lüfte spielen |
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Freundlich uns ins Paradies. |
Details zum Gedicht „Lied des Lebens“
Johann Gottfried Herder
3
24
127
1787
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Lied des Lebens“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, der zwischen dem 25. August 1744 und dem 18. Dezember 1803 lebte. Herder war eine bedeutende Persönlichkeit der deutschen Aufklärung und Sturm und Drang Periode, die von 1767 bis etwa 1785 andauerte.
Der erste Eindruck des Gedichts ist ein Gefühl von Flüchtigkeit, aber auch der Schönheit des Lebens. Dies spiegelt sich in den Bildern von flüchtigen Winden, Wellen und fließender Zeit sowie in den wiederkehrenden Motiven von Rosen und Tagen wider.
In einfachen Worten geht es in dem Gedicht um das schnelle Vergehen der Zeit und die Wichtigkeit, jeden Moment zu genießen und zu nutzen. Das lyrische Ich fordert die „Brüder“ auf, das Leben in vollen Zügen zu genießen („Sie genießen auf der Stelle, Sie ergreifen schnell im Lauf“) und symbolische Rosen - als Bild für das Glück und die Schönheit des Lebens - auf dieses vergängliche Leben zu streuen. Rosen symbolisieren auch die Schönheit und Vergänglichkeit des Lebens, und das lyrische Ich betont die Bedeutung eines gut gelebten Lebens („Wohl ihm, der bis auf die Neige Rein gelebt sein Leben hat“). Schließlich drückt das lyrische Ich die Hoffnung aus, dass die Tage unseres Lebens uns im Alter als Kranz zieren und uns Schönheit und Frieden bringen werden.
Das Gedicht hat eine strenge Form: es besteht aus drei Strophen mit jeweils acht Versen und der Rhythmus ist durchgängig und gleichbleibend. Es ist in einem feierlichen und pathetischen Ton verfasst, wodurch die Botschafts des lyrischen Ichs eine gewichtige Note erhält. Die konsequente Verwendung von Naturbildern, insbesondere Rosen, und die häufige Personalisierung von abstrakten Konzepten wie Tagen und Zeit verleihen dem Gedicht eine metaphorische und sinnbildliche Sprache, die für die Dichtung der Aufklärungs- und Sturm-und-Drang-Zeit typisch ist und die emotionalen und philosophischen Botschaften des Gedichts unterstreicht.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Lied des Lebens“ des Autors Johann Gottfried Herder. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1787 entstanden. Der Erscheinungsort ist Gotha. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Zwischen den Literaturepochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren von 1765 bis 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Jugend- und Protestbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Autoren im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die alten Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.
Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der Literatur, die insbesondere von den Dichtern Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller geprägt wurde. Die Italienreise Goethes im Jahr 1786 markiert den Anfang der Epoche. Das Todesjahr von Goethe, 1832, markiert das Ende der Weimarer Klassik. In der Literaturepoche sind Einflüsse der Französischen Revolution festzustellen. Das Zentrum dieser Literaturepoche lag in Weimar. Es sind sowohl die Bezeichnungen Klassik als auch Weimarer Klassik gebräuchlich. Humanität, Güte, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Harmonie sind die bedeutenden Themen. Die Weimarer Klassik orientiert sich am antiken Kunstideal. Typisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal der Literaturepoche des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Gefühl und Vernunft. Die Vertreter der Epoche haben in der Weimarer Klassik auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Schiller, Goethe, Wieland und Herder können als die Hauptvertreter der Klassik genannt werden. Aber nur Schiller und Goethe inspirierten und motivierten einander durch enge Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.
Das 127 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Die Gedichte „An die Freundschaft“, „Apollo“ und „Bilder und Träume“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „Lied des Lebens“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.
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