Lied aus einem Berliner Droschkenfenster von Joachim Ringelnatz

Auf dem Asphalt das Blut und das verspritzte Gehirn
Verlaufen in zierlichen Fädchen.
Ein Fädchen kann sein aus Seide oder Zwirn.
Damit nähen und sticken die Mädchen.
 
Sie nähen einen Saum, und sie sticken ein „B“
In ein seifensteifes Unterhöschen.
Im Kielwasser eines Dampfers auf See
Ersäuft ein vertrocknetes Röschen.
 
Mein Onkel im Rostocker Rathaus erschrickt
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Über eine sich lösende Tapete.
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Der hat einmal eine Sternschnuppe erblickt,
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Die sah aus wie eine Rakete.
 
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Wenn der Gaul sich auf dem Spittelmarkt mal hinlegen will,
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Na, dann soll man das dem Vieh auch nicht verwehren.
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Nee, dann trink’ ich meinen Gilka. Und belausche dabei still,
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Wie die Wanzen sich im Polstersamt vermehren.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Lied aus einem Berliner Droschkenfenster“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
110
Entstehungsjahr
1924
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Der Verfasser des Gedichts „Lied aus einem Berliner Droschkenfenster“ ist Joachim Ringelnatz, geboren 1883 und gestorben 1934. Eine genaue zeitliche Einordnung ist schwierig, jedoch lässt sich sagen, dass das Gedicht zur Zeit der Weimarer Republik (1918-1933) entstanden sein könnte, eine Ära, in der das literarische Schaffen von Ringelnatz seinen Höhepunkt erreichte.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht sehr düster und absurd. Es werden groteske Bilder und Szenen beschrieben, die scheinbar keinen unmittelbaren Zusammenhang haben.

Das lyrische Ich berichtet von verschiedenen Szenen, die es durch das Fenster einer Droschke, also einer Kutsche, in Berlin betrachtet. Zunächst wird eine grausame Szene mit Blut und verspritztem Gehirn auf dem Asphalt dargestellt, gefolgt von einer friedlicheren Szene von nähenden und stickenden Mädchen. Ebenfalls erzählt das lyrische Ich von einem auf See ertrinkenden Röschen, einer sich lösenden Tapete, die jemandem Angst bereitet und einer Sternschnuppe, die an eine Rakete erinnert. Das Gedicht endet mit der Vorstellung eines erschöpften Pferdes, das sich hinlegen möchte, und der Beobachtung von sich vermehrenden Wanzen.

Die aufgeführten Szenen zeigen das Alltagsleben in all seiner Banalität, aber auch in seiner Grausamkeit und Absurdität. Mit dieser Darstellung scheint das lyrische Ich die Unvorhersehbarkeit und die scheinbar zufälligen Zusammenhänge des Lebens hervorheben zu wollen.

Das Gedicht hat vier Strophen mit je vier Versen. Es gibt keine Reime. Die Sprache ist einfach und sehr bildhaft. Die Beschreibungen sind klar und detailreich. Zudem sind sie malerisch und stellenweise von einer gewissen Komik geprägt, was typisch für die Werke von Ringelnatz ist. Die Form und die Sprache des Gedichts verstärken seine groteske und surreale Atmosphäre und tragen dazu bei, die Auffassung von der Absurdität des Lebens zu vermitteln.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Lied aus einem Berliner Droschkenfenster“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1924 entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Moderne oder Expressionismus zu. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 110 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Abendgebet einer erkälteten Negerin“, „Abermals in Zwickau“ und „Abgesehen von der Profitlüge“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Lied aus einem Berliner Droschkenfenster“ weitere 560 Gedichte vor.

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