Liebesmorgen von Gustav Schwab

Gelagert sprachlos saßen wir im Kreise,
Ein Jeder sann den Morgenträumen nach;
Da öffnete die Pforte sich, und leise
Tratst du herein und standst in dem Gemach,
Und neigtest dich nach deiner holden Weise,
Verschämt und kaum vom ersten Schlummer wach,
Und blicktest schüchtern auf, uns mit den süßen
Schlaftrunk’nen Äuglein halb im Traum zu grüßen.
 
Ist das der Blick, der aus der Locken Kranze
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So stolz hervorgeleuchtet und gesiegt?
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Ist das die Brust, die sonst bei Fest und Tanze
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In weicher Seide schwellend sich gewiegt?
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O wie sie nun sich, frei von allem Glanze,
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So fromm in die bescheidnen Tücher schmiegt!
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Wie schmückt das Haar so schlicht der Stirne Bogen,
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Wie hat der Blick sich scheu zurückgezogen!
 
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O dürft’ ich als die Meine dich begrüßen
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In dieser keuschen, stillen Morgentracht,
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Wo nur der Sonne Lichter dich umfließen,
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Nicht eitler Lampenschein und falsche Pracht.
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O dürft’ ich diesen milden Reiz umschließen,
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Nach jeder einsam durchgehofften Nacht
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Dir liebend in dein Morgenantlitz blicken,
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An’s Herz dich, den verhüllten Himmel, drücken!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Liebesmorgen“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
171
Entstehungsjahr
1828
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Liebesmorgen“ wurde von Gustav Schwab geschrieben, der von 1792 bis 1850 lebte. Daher gehört das Gedicht zur literarischen Epoche der Romantik.

Bei dem ersten Eindruck fällt auf, dass das Gedicht eine ruhige, intime Atmosphäre hat. Es spielt am Morgen und steht unter dem Zeichen der Romantik und Empfindsamkeit, was typisch für diese literarische Epoche ist.

Der Inhalt des Gedichts ist recht einfach und beschreibt eine innige Szene früh am Morgen. Die lyrische Ich betrachtet eine Frau, die gerade aus dem Schlaf erwacht ist. Ihre natürliche Schönheit und ihr schüchternes Verhalten beeindrucken das lyrische Ich zutiefst. Es stellt sie der gesellschaftlichen Schönheit, die aufgesetzt und künstlich ist, gegenüber. Das lyrische Ich sehnt sich danach, dieser Frau nahe zu sein, sie als seine Partnerin zu haben und ihre natürliche Schönheit jeden Morgen aufs Neue zu betrachten.

Die Form des Gedichts ist ein regelmäßiger Vierheber. Jede Strophe besteht aus acht Versen, auch als Oktave bezeichnet, und folgt einem klaren Reimschema: ABABCDDC. Diese Struktur trägt zu dem ruhigen, geborgenen Eindruck des Gedichts bei, den der Inhalt ebenfalls vermittelt.

Die Sprache des Gedichts ist geprägt von bildhaften Vergleichen und einem poetischen Wortschatz. Typisch für die Romantik, verwendet Schwab sehr viel Natur- und Lichtsymbolik. Die Frau wirkt wie ein „verhüllter Himmel“, was ihre transcendente und erhabene Rolle unterstreicht. Darüber hinaus gibt es einen deutlichen Gegensatz zwischen der natürlichen Schönheit der Frau („Sonne Licht“, „Morgenantlitz“) und der künstlichen, gesellschaftlichen Schönheit („Locken Kranz“, „Fest und Tanz“).

Insgesamt ist das Gedicht „Liebesmorgen“ ein typisches Beispiel für die romantische Auffassung von Liebe, Harmonie und Sehnsucht. Es zeichnet das Bild einer natürlichen, Übersinnlichen Schönheit, die weit über die Oberfläche hinausgeht und tiefe Empfindungen im lyrischen Ich weckt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Liebesmorgen“ des Autors Gustav Schwab. Geboren wurde Schwab im Jahr 1792 in Stuttgart. 1828 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Stuttgart und Tübingen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 171 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Gustav Schwab sind „Die Schwabenalb“, „Rechtfertigung“ und „Schlittenlied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Liebesmorgen“ weitere 12 Gedichte vor.

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