An die Kronprinzessin von Preußen von Carl Streckfuß
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Wenn mit bescheid’nem Schritt, den Blick gesenkt, |
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Die Wangen überglüht von höherm Roth, |
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Im ländlich bunten Schmuck, den Kranz im Haar, |
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Die Hirtin an der Hand des Bräutigams, |
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Durchs Dörflein zieht, der kleinen Kirche zu, |
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Die in der hohen Linden grüner Nacht, |
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Umringt von Gräbern, still geheimnißvoll |
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Das Paar empfangen soll zum ernsten Spruch, |
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Dann regt sich froh im Dörflein Alt und Jung. |
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Im besten Schmuck, geziert das Haar, den Hut |
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Mit frischen Blumen und mit grünem Laub, |
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Ziehn früh die Mädchen und die Jünglinge |
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Entlang dem klaren Bach zum Kirchhof hin, |
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Des Paars zu harren und an ihm den Blick |
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Am heitern und verhängnißvollen Tag |
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Mit Lust, vermischt mit Angst, zu sättigen. |
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Aus halbverfallner Hütt’ und schmuckem Haus, |
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Aus Fenster oder Thür, streckt auch der Greis |
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Und streckt die Greisin das gebeugte Haupt, |
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Zurückversetzt in ihre schön’re Zeit, |
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Und neu sie lebend in Erinnerung; |
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Und, ihres Spiels vergessend, lauschen still |
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Die Kinder durch der Hecken grünes Laub. |
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So folgt theilnehmend, liebevoll und froh |
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Dem ernsten Gang des Paares Blick und Herz. |
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Doch wenn es dann, verknüpft durch heil’ges Wort |
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Zum ew’gen Liebesbund, vom Gotteshaus |
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Mit sichrern, festern Schritten wiederkehrt, |
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Dann eilt mit liebender Zudringlichkeit |
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Herbei der Freunde, der Verwandten Schaar, |
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Und selbst der Fremde naht sich, wie er kann. |
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Da strömen Seegenswünsche voll und warm |
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Aus jeder Brust – die Augen, thränenvoll |
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Doch froh, verkünden Hoffnung, Lieb’ und Lust. |
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Die Schwelle, die das Paar betreten soll, |
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Mit bunten Blumen ist sie überstreut, |
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Die Thür bekränzt mit frischen jungen May’n. |
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Im Geben selig, bringt die Liebe froh |
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Den Liebenden der Gaben manche dar, |
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Und selbst die Armuth trägt ihr Scherflein bei. |
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Wenn so im kleinen stillverborgnen Dorf |
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Am Tag, der über einer Hütte Loos |
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Entscheiden soll, sich laut der Jubel regt, |
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Wie, wenn von einem glanzumstrahlten Thron |
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Zum andern hin der Liebe Zauber wirkt? |
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Wenn, nicht zwei Opfer, die der Staaten Wohl |
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Und Königspflicht, ach! oft zu schwer, erheischt, |
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Nein, zwei Beglückte, gegenseits erwählt |
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Vom schönsten Trieb in edler Menschenbrust, |
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Ein theures Fürstenpaar, von Thron zu Thron |
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Sich nahn, die hohe Feier zu begehn? |
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Wenn zweier hochverehrten Häupter Glück |
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Uns Bürgschaft wird für zweier Völker Wohl? |
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Wenn in der Herzen seegenvollem Bund |
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Eintracht und Lieb’ auch für die Völker blühn? |
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Wenn, wie die Flamm’ auf hohem Bergeshaupt |
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Ihr Licht in alle Thäler rings verstrahlt, |
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Die Tugend, Lieb’ und Eintracht auf dem Thron |
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Erglänzen wird zum Vorbild allem Volk, |
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Das gern dem Beispiel seiner Fürsten folgt? |
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Dann tönt der Jubel laut von Stadt zu Stadt, |
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Von Strom zu Strom, von Berg zu Berge fort! |
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In Millionen Brüsten schlägt ein Herz! |
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Im Geben selig, giebt die Liebe froh, |
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Giebt, was sie kann – sich selbst und ihre Lust. |
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Sieh, hohe Fürstin, was in unsrer Stadt |
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Heut mächtig in der Bürger Busen wallt, |
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Heut leuchtend in der Bürger Blicken glänzt, |
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Heut freudig über Plätz’ und Straßen wogt, |
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Heut laut im trunknen Jubelrufe schallt! |
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Die Stadt – die hochbeglückte Schwell’ ist sie, |
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Die Dich, Erhabne, führt ins künft’ge Haus, |
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Ins Haus, erbaut durch Treu’ und Kraft und Muth, |
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Vom fernen Niemen bis zum grünen Rhein, |
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Vom Ostmeer bis zu Schlesiens Riesenhöh’n; |
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Ins Haus, wo Muth und Kraft und Treue wohnt |
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Und Liebe für den Vater, der’s beherrscht, |
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Und für den Sohn, der’s einst beherrschen soll – |
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O Glückliche, Beglückende, die Er |
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Sich auserwählt, die Ihn sich auserwählt, |
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Nachfolgerin der Unvergeßlichen, |
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Die einstens diesen Thron mit zarter Hand |
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Geschmückt hat mit der Myrte schönstem Kranz, |
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Die, selbst mit einem Sternenkranz geschmückt, |
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Jetzt niederlächelt auf dies frohe Land – |
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O Glückliche, Beglückende, bring’ Ihm |
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Das schönste Menschenloos! – empfang’ es selbst |
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Aus unsers Volkgeliebten treuer Hand! |
Details zum Gedicht „An die Kronprinzessin von Preußen“
Carl Streckfuß
3
88
603
1823
Klassik,
Romantik,
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „An die Kronprinzessin von Preußen“ wurde von Carl Streckfuß verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Dichter, der von 1778 bis 1844 lebte. Aufgrund des Lebensdatums des Autors lässt sich das Gedicht dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zuordnen, einer Zeit, die in der Literaturgeschichte als Übergangsphase von der Aufklärung zur Romantik gilt.
Auf den ersten Blick fällt die eindrucksvolle Sprache und intensive Beschreibung von Szenen und Gefühlen auf, die wohl an die dörfliche Atmosphäre einer Hochzeit und die Erwartungen und Emotionen, die damit verbunden sind, erinnern soll. Das lyrische Ich schildert zunächst eine ländliche Hochzeitszeremonie und die dazugehörigen Gefühle und Reaktionen der Dorfbewohner. Dieses Bild quasi als Mikrokosmos gebraucht das lyrische Ich dann, um einen Vergleich zu ziehen zu der Hochzeit der Kronprinzessin, also einer Hochzeit in der „großen Welt“.
So greift das lyrische Ich die ländlichen Bilder auf und überträgt sie auf das königliche Paar, wobei sie jedoch die universelle Gültigkeit von Liebe und Verbundenheit betont. Die jeweilige Gemeinschaft, sei sie dörflich oder königlich, nimmt Anteil an der Hochzeit und bringt ihre Wünsche und Hoffnungen zum Ausdruck. Es wird eine positive Stimmung erzeugt, die Hoffnung auf eine gute Zukunft ausdrückt, welche durch das königliche Paar repräsentiert wird.
Der Stil des Gedichts ist hervorragend strukturiert und zeigt, dass der Autor sich der klassischen Formen der Dichtung bewusst ist. Die Verwendung lyrischer und bildlicher Sprache trägt dazu bei, die Emotionen der Menschen vor Ort zu erfassen und die Atmosphäre lebendig und detailliert zu schildern. Die wiederholte Verwendung von Epitheta (beschreibende Adjektive) und Metaphern dient dazu, die Stimmung und den Kontext zu unterstreichen und zu verstärken.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Carl Streckfuß' „An die Kronprinzessin von Preußen“ ein eindrucksvolles und effektives Werk ist, das die übergreifende und universelle Macht von Liebe und Zusammenhalt in Communitys jeder Größe und Bedeutung betont. Es ist eine Huldigung an die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und an den gemeinschaftlichen Geist, der sich in Momenten großen Feiern ausdrückt.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An die Kronprinzessin von Preußen“ des Autors Carl Streckfuß. Der Autor Carl Streckfuß wurde 1778 in Gera geboren. 1823 ist das Gedicht entstanden. In Halle ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik, Romantik oder Biedermeier zugeordnet werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das 603 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 88 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Der Dichter Carl Streckfuß ist auch der Autor für Gedichte wie „Auf der Reise“, „Beruf“ und „Bey der Hochzeit des Hrn. Schultz“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An die Kronprinzessin von Preußen“ weitere 50 Gedichte vor.
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Weitere Gedichte des Autors Carl Streckfuß (Infos zum Autor)
- Actäon
- An Maria del Caro
- An Nadine
- Auf der Reise
- Beruf
- Bey der Hochzeit des Hrn. Schultz
- Das Gastmahl des Theoderich
- Das Geständniß
- Das Leben, ein Räthsel
- Das Riesenkind
Zum Autor Carl Streckfuß sind auf abi-pur.de 50 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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